Die Regisseurin, Intendantin und Buchautorin Anna Badora liebt zwar Licht und Aussicht, wohnt aber seit einigen Jahren mit Wohnzimmer im Souterrain. Eine Wohnsituation mit Kraftpotenzial, wie sie selbst sagt.

"Früher war ich immer schwarz angezogen. Im Theaterjargon bezeichnet man die Regisseure auch als ‚die Schwarzen‘. Nun, ich war eine von denen. Jetzt bemühe ich mich, Farbe ins Leben zu bringen. Man überlegt sich, was man fürs Wohngespräch anzieht, und siehe da, plötzlich ist man mit der Tatsache konfrontiert, dass man angezogen ausschaut wie seine eigene Wohnung und wie sein neuestes Buch Dreizehn Leben, das sich auf dem Tisch daneben türmt: schwarz, gelb, orange. Ganz klar: Bald kommt der Herbst.

Wohnen im zweiten Erdgeschoß: Anna Badora kann vom Wohnzimmer aus auf Füße blicken.
Foto: Lisi Specht

Ich wohne in einem alten, gründerzeitlichen Haus im vierten Bezirk. Straßenseitig betritt man die Wohnung im Hochparterre, da gibt es ein Schlaf- und Arbeitszimmer, und dann wandert man über diese rustikale Holztreppe nach unten, wo sich der Wohn- und Kochbereich auf Höhe des abgesenkten Innenhofs wiederfindet. Fast ist es, als hätte die Wohnung zwei Erdgeschoße. Vor uns ein kleiner Hof mit Backsteinmauer und hochgekletterten Weinreben. Aus dem Wohnzimmer sieht man die Beine der vorübergehenden Passanten auf der Straße.

Ich hatte immer schon ein Faible für Erdung, für eine gewisse Erdverbundenheit. Dass ich dann aber so tief und so geerdet wohne – damit hätte ich nicht gerechnet. Es hat sich durch Zufall ergeben. 2015, am Sprung von Graz nach Wien, war ich auf der dringenden Suche nach einer Wohnung, mein Mann und ich hatten wenig Zeit zum Gustieren und Selektieren, es musste schnell gehen. Und dann wurde uns diese Wohnung hier angeboten. Ich musste mich von heute auf morgen entscheiden. Es wurde ein Ja.

"Ich mag keine Perfektion", sagt Anna Badora. "Sie tötet jede Kreativität."
Fotos: Lisi Specht

Man muss wissen: Wohnen ist für mich ein wichtiges Thema. Ich liebe Licht und Aussicht. Und ich liebe urbanes, großstädtisches Flair. Und dann ist das die Wohnung, für die wir uns entschieden haben! Das Leben hat schon eine gewisse Selbstironie, oder? Aber ich mag das irgendwie – das Ländlich-Rurale dieses Zimmers mit seinen Kacheln, seiner Country-Küche und seinem stadlartigen Treppenaufgang. Diese Wohnung ist der ultimative Beweis dafür, dass die eigene Biografie nie so logisch und so geradlinig ist, wie man sich das in der Theorie ausgemalt hat.

Ich würde sagen: Diese Wohnsituation passt zu 50 Prozent und zu 50 Prozent auch nicht. Und das ist auch gut so. Mein Regielehrer in Krakau meinte: ‚Wenn ihr glaubt, ihr habt alles erreicht und seid mit euch selbst zufrieden, dann seid ihr am Ende, dann war’s das mit eurem Leben als Künstler!‘ Ich war mit meiner Arbeit noch nie im Leben zu 100 Prozent zufrieden. Selbst, wenn etwas ziemlich super ist, gibt es immer noch etwas zu verbessern, aus dem Unfertigen kann man Kraft schöpfen. Und meine Wohnsituation … oh, die hat noch viel Kraftpotenzial!

Ihre Wohnsituation passt für sie "zu 50 Prozent, zu 50 Prozent nicht". Das Ländlich-Rurale des Wohnzimmers liebt sie allerdings.
Fotos: Lisi Specht

Manchmal höre ich Leute sagen: ‚Jetzt ist das Haus zu 100 Prozent fertig, jetzt haben wir uns endlich fertig eingerichtet, jetzt können wir zur Ruhe kommen.‘ Und dann denke ich mir: Ruhe? Was heißt das? Nichts tun? Der blanke Horror für mich! Ich mag keine Perfektion. Sie tötet jede Kreativität. Als ich noch am Volkstheater war, habe ich meine Kollegen und Kolleginnen regelmäßig zu Wochenend-Brunches eingeladen. Tische zusammenstellen, Suppe und Eintopf kochen, ein paar Köstlichkeiten einkaufen, an manchen Sonntagen waren hier 30 bis 35 Leute zu Besuch! Einfach toll! Und das, obwohl nichts perfekt war.

Als Kind wollte ich immer am Meer leben. Mit meinem Mann, der einmal ein großes Forschungsprojekt in der Karibik hatte, war ich mal wochenlang in diesem Paradies unterwegs. Dieses Gefühl, wenn Luft, Wasser und der eigene Körper fast alle die gleiche Temperatur haben … einfach herrlich. Aber auch zu perfekt. Da bleibe ich lieber in Wien. In dieser Stadt ist Ringen angesagt, denn es ist zwar eine perfekt schöne Stadt, allerdings mit einer schwierigen Mentalität. Mir ist Wien zu wienerisch, zu bürokratisch, zu wenig transparent – alles andere als perfekt. Deswegen finde ich’s hier wohl so super." (11.4.2022)