Der ÖVP-Abgeordnete Karlheinz Kopf ist als Stellvertreter des bisherigen Obmanns des Wirtschaftsbunds Vorarlberg (der letzten Freitag zurückgetreten ist) derzeit für die Teilorganisation der ÖVP verantwortlich. Am Montag soll ein neuer Obmann gefunden werden.

Foto: APA/Schlager

Rücktritte haben im politischen Österreich durchaus Seltenheitscharakter. Viele staunten daher nicht schlecht, als vor einer Woche gleich zwei Größen der Vorarlberger Volkspartei ihren Hut nehmen mussten: Jürgen Kessler und Hans Peter Metzler – Direktor und Obmann des Wirtschaftsbundes – legten ihre Ämter zurück.

Die ÖVP hoffte dadurch, die Themenkombination Wirtschaftsbund und Parteienfinanzierung wieder vom Tisch zu haben. Die Partei, die das Land ununterbrochen seit Ende des Zweiten Weltkriegs regiert, hatte die wohl turbulenteste Woche seit vielen Jahren hinter sich. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) begrüßte nicht nur die Rücktritte, er kündigte auch Reformen an. Das Magazin, mit dem der Wirtschaftsbund Millionen machte, solle nicht mehr erscheinen.

Vorwürfe bis hin zur Geldwäsche

Die Causa ist damit aber nicht vom Tisch. Denn erst diese Woche soll dem Vernehmen nach die Betriebsprüfung beim Wirtschaftsbund abgeschlossen worden sein. Die Organisation brachte bekanntlich Selbstanzeige ein, betonte allerdings immer, nichts falsch gemacht zu haben. Die Prüfer dürften das anders sehen und für die Staatsanwaltschaft Feldkirch einen Bericht vorbereiten, der es in sich haben soll. Dazu gab es bereits Gespräche zwischen Finanzprüfern und Staatsanwaltschaft, wie aus Justizkreisen zu hören ist.

Demnach sei es nicht nur zu einer Abgabenhinterziehung gekommen – auch der Verdacht auf Geldwäsche steht im Raum. Es soll also rund um die ÖVP Vorarlberg zum Einschleusen von illegal erwirtschafteten Geldern in den legalen Wirtschaftskreislauf gekommen sein. Die sogenannte Vortat wäre dann die Steuerhinterziehung. Offiziell gab man sich am Freitag bedeckt: Noch sei bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch kein Bericht eingelangt, sagte ein Sprecher. Zu etwaigen Gesprächen könne er nichts sagen. Die Finanz habe die Angelegenheit zu prüfen und dann zu gegebener Zeit ihre Einschätzungen über die Selbstanzeige zu übermitteln.

Grafik: Der Standard

Wie ist es zu all dem gekommen? Mit dem Mitgliedermagazin" Vorarlberger Wirtschaft" wurden über Jahre Millionen gemacht, Inseratenpreise blieben auffällig knapp unter der Grenze, ab der man sie als Parteispenden deklarieren müsste. Das Heft mit einer Auflage von 20.000 Stück bestand teilweise zu drei Vierteln aus Anzeigen, die auch aus der Wirtschaftskammer und von landeseigenen Unternehmen kamen – Pflichtbeiträge und Steuergeld flossen so in die Teilorganisation und schließlich zur ÖVP: Seit 2014 sollen es laut dem Landesgeschäftsführer 900.000 Euro gewesen sein. Damit Anzeigen im Magazin landen, sei teilweise auch Druck ausgeübt worden, erzählten ehemalige Unternehmer und Wirtschaftskammer-Funktionäre.

Jahrelanges Motto: So läuft es eben

All das war in Vorarlberg vielen Menschen längst bekannt. Frei nach dem Motto "So läuft es eben" spielten Unternehmer und Kammer-Funktionäre mit. Der Wirtschaftsbund baute jahrelang Einfluss und finanzielle Mittel aus – bis über die mögliche Abgabenhinterziehung berichtet wurde. Plötzlich wurde all das öffentlich, was viele Jahre nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wurde oder in Vorarlbergs Medien nur als Randnotiz zu finden war. Dieses Mal machten auch sie Druck, die Oppositionsparteien sowieso.

Der inoffizielle Kammer-Präsident

Am vierten Tag kündigte Wallner das Ende des Magazins, aber auch eine personelle Entflechtung zwischen Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer an. Hans Peter Metzler war nämlich nicht nur Obmann der ÖVP-Organisation, sondern auch Kammer-Präsident gewesen – zumindest auf dem Papier. Inoffiziell dürfte Jürgen Kessler, der allerdings gar keine Funktion in der Interessenvertretung hatte, auch in der Kammer das Sagen gehabt haben, wie Funktionäre und Mitarbeiter erzählen. Warum das relevant ist? Einerseits sei vom Wirtschaftsbund stets aggressiv nach neuen Mitgliedern Ausschau gehalten worden, andererseits soll auch versucht worden sein, diese Wirtschaftsbund-Mitglieder in relevanten Posten zu platzieren, beispielsweise als Innungsmeister.

Warum die Beziehung zur Kammer relevant ist

Die Stärke der jeweiligen Fraktionen in der Kammer wird finanziell unterschiedlich belohnt. Die sogenannte Fraktionsförderung machte 2020 österreichweit fast 25 Millionen Euro aus, in Vorarlberg wurden 662.000 Euro ausgeschüttet. Da der Wirtschaftsbund die mit Abstand erfolgreichste Fraktion ist, bekommt er einen Großteil des Geldes.

Kessler hielt bis Jänner außerdem knapp 50 Prozent einer Firma, die für mehrere Magazine das Anzeigengeschäft managt – auch für die Wirtschaftskammer. Die Inserate für eines der Kammer-Printprodukte – "Die Wirtschaft" – liefen also auch über Kessler, obwohl dieser immer bestritt, in das operative Geschäft des Betriebs eingebunden gewesen zu sein. Auch diese Firma soll von der Finanz geprüft werden.

Opposition glaubt Sinneswandel nicht

Diese Doppelrolle ist keine Erfindung von Kessler, auch sein Vorgänger hatte sie inne. Walter Natter soll als Direktor außerdem wie Kessler Druck auf Unternehmer und Kammer-Funktionäre ausgeübt haben, beim Wirtschaftsbund zu inserieren. Im Gegensatz zu Kessler hat Natter weiterhin eine Funktion bei der ÖVP-Teilorganisation inne. In der Wirtschaftskammer übernimmt interimistisch einer der bisherigen Stellvertreter von Metzler. Ein Fehlverhalten der Kammer könne er nicht erkennen, sagte er zu der Causa.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Opposition Wallner seinen Sinneswandel nicht glaubt. Er müsse erklären, was er von diesem System gewusst habe. Dazu sagte Wallner den "Vorarlberger Nachrichten": "Möglicherweise muss ich mir den Fehler vorwerfen, dass ich ein wenig zu lange zugeschaut habe. Ich bin nicht persönlich für alles mitverantwortlich, was in einer Teilorganisation passiert. Aber wenn Sie mich so fragen, hätte es in den vergangenen Jahren da oder dort rascher einen Eingriff geben müssen." Gelegenheit, sich ausführlicher zu äußern, wird Wallner unter anderem bei einer Sondersitzung des Landtags nach Ostern haben.

Andere Bundesländer schauen jetzt hin

Die breite Berichterstattung über die Vorgänge im Vorarlberger Wirtschaftsbund haben dafür gesorgt, dass auch in den anderen Bundesländern Konstruktionen unter die Lupe genommen werden, hinter denen versteckte Parteienfinanzierung vermutet wird.

In Niederösterreich sorgte etwa eine anonyme Anzeige für Aufruhr, die sich mit Inseraten des Landes bzw. von Landesunternehmen in zwei ÖVP-Parteimagazinen beschäftigte. Der Verdacht: Weil der Medieninhaber nicht die Partei, sondern ein Verlag ist – der personell der ÖVP aber nahesteht –, handle es sich um eine Umgehungskonstruktion, weil Erlöse durch Inserate nicht als Parteispende im Rechenschaftsbericht angeführt werden müssen. Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat sah allerdings keinen Anlass, tätig zu werden. Die Opposition will die Vorgänge dennoch untersuchen, am liebsten in einem U-Ausschuss. Neos und Grüne wären darin aber gar nicht vertreten, weil sie zu wenige Mandate haben.

"Zuzahlungsprojekt" in Kärntner Wirtschaftsbund

In Kärnten wiederum hätten 2021 Wirtschaftskammer-Organisationen im Magazin des Wirtschaftsbunds Inserate im Wert von etwa 40.000 Euro gebucht, rechnet die Grüne Wirtschaft vor. Die Direktorin der ÖVP-Organisation, Sylvia Gstättner, weist Kritik zurück und bezeichnet das Magazin als "Zuzahlungsprojekt". Eine Offenlegung lehnt sie ab. Es gebe keinen Grund, sich vor dem politischen Mitbewerber zu rechtfertigen. Grüne, Neos und FPÖ sollten stattdessen "das Hacklschmeißen unterlassen", sagt Gstättner.

Auch in Oberösterreich tut sich etwas: Vergangene Woche stellten die Neos eine dringliche Anfrage an ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer. Thema: der Mehrwert von Inseraten in Parteimedien, die es auch in Oberösterreich gibt. Antwort habe es keine gegeben, sagte Neos-Klubobmann Felix Eypeltauer. Diese könne er sich aber ohnehin selbst geben: Es gebe keinen. Öffentliche Inserate in Parteimedien solle man daher verbieten. "Das ist versteckte Parteienfinanzierung." (Lara Hagen, Fabian Schmid, 8.4.2022)