Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz diskutierten in internen Chatgruppen heftig über die Karfreitagsregelung.

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Bis 2019 hatten die Angehörigen der evangelischen und altkatholischen Kirchen am Karfreitag frei: bis ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs diese (gesellschaftlich nicht sehr umstrittene) Ungleichbehandlung kippte – und die damals türkis-blaue Bundesregierung die Regelung in eher skurriler Manier reparierte. Chatnachrichten aus dem innersten Regierungszirkel belegen nun, wie turbulent es dabei auch hinter den Kulissen zugegangen ist.

Zur Erinnerung: Am 19. Februar 2019 einigten sich Volkspartei und Freiheitliche auf einen Kompromiss in der Karfreitagsdiskussion. Evangelischen und Altkatholiken würde der Feiertag gestrichen, dafür hätten alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 14 Uhr frei – einen "halben Feiertag" für alle nannten das die Koalitionsparteien.

"Massiver Vertrauensbruch"

Doch so einig waren sie sich offenbar doch nicht: "Die Karfreitagslösung mit 14 Uhr ist leider EU-widrig", schreibt der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einer Chatgruppe mit Verkehrsminister Norbert Hofer, Innenminister Herbert Kickl und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Straches Begründung: "Diskriminierung wird nicht gelöst. Jom Kippur!" Was der Vizekanzler meint: Mit der vorgestellten Regelung könnten Jüdinnen und Juden ebenfalls einen Feiertag für ihr höchstes Fest einklagen. "Ich gebe diese Fakten nur zu bedenken!"

Wenige Stunden später schlägt das Thema in einer größeren Runde auf, in einem Chat zwischen Strache, Kanzleramtsminister Gernot Blümel, Kurz, Hofer, Kickl und Kurz-Berater Stefan Steiner. Kurz äußert die Hoffnung, "dass das nicht stimmt, was mir von der Krone zugetragen wird. Wäre ein massiver Vertrauensbruch." Blümel erklärt auf Nachfrage, was gemeint ist: "Dass Leute von euch denen erzählen, dass es beim Karfreitag keine Einigung geben wird, weil ihr lieber einen ganzen Feiertag wollt."

"Persönlicher Feiertag"

Strache versichert zwar, dass das "Unsinn" sei. Er bringt das Thema dennoch wieder auf: "Wir stehen zum Karfreitag-Halbtagslösungs-Kompromiss mit vollen Zuschlägen wie am 8. Dezember oder als Alternative den persönlichen zusätzlichen Urlaubstag, weil das alle Experten – auch eure WKÖ – wollen und damit das Problem endgültig gelöst wäre!" Steiner antwortet darauf: "Es gibt keine Alternative! Wir haben Feiertag ab 14:00 Uhr ausgemacht und auch gemeinsam so kommuniziert!" Strache repliziert: "Mit dem jetzigen Kompromiss hat niemand eine wirkliche Freude!"

Strache sollte recht behalten: Eine Woche später präsentiert Türkis-Blau einen neuen Kompromiss. Arbeitnehmer dürfen an einem Tag im Jahr einen ihrer Urlaubstage als "persönlichen Feiertag" definieren und diesen auch ohne Zustimmung der Arbeitgeberin konsumieren.

Wirklich zufrieden war mit dieser Lösung allerdings außer der Wirtschaft auch niemand. Und das gilt bis heute: Der evangelische Bischof Michael Chalupka forderte im Gespräch mit Kathpress die Politik auf, den Karfreitag zu einem Feiertag für alle zu erklären. Sie solle "den Karfreitag nicht als Privileg für die Evangelischen sehen, sondern als Zeichen für die Verletzlichkeit der Gesellschaft". (Sebastian Fellner, 15.4.2022)