Christian Kolonovits sitzt künftig im obersten ORF-Organ Stiftungsrat, entsandt vom Burgenland.

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Wien – Das Burgenland entsendet den Komponisten Christian Kolonovits (70) als Vertreter in den ORF-Stiftungsrat. Kolonovits werde sich keinem politischen Freundeskreis anschließen, Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) setze damit ein bewusstes Zeichen für Unabhängigkeit und gegen parteipolitische Deals im obersten ORF-Organ, hieß es.

"Ohne jedes parteipolitische Hineinregieren"

Die Landesregierung hat die Entsendung diese Woche beschlossen. Doskozil ließ dazu verlauten, es gehe ihm um ein "bewusstes Signal für einen starken, unabhängigen ORF ohne jedes parteipolitische Hineinregieren".

Der Komponist, Dirigent, Musiker und Burgenländer Kolonovits werde völlig unabhängig agieren und sich auch keinem Freundeskreis anschließen, erklärt der Landeshauptmann. Doskozil hat sich vor der Besetzung der Funktion mit Vertretern der Kultur- und Medienlandschaft, etwa dem Verband Filmregie Österreich, ausgetauscht, hieß es aus dem Landeshauptmannbüro.

"Abgrenzen von parteipolitischer Einflussnahme auf den ORF"

Doskozil wird zitiert mit: "Wir haben in Österreich in den letzten Monaten – ausgelöst durch publik gewordene Chats – eine sehr intensive Debatte über die parteipolitische Einflussnahme auf den ORF erlebt. Diese Debatte hat gezeigt, dass die Unabhängigkeit des ORF für viele ein Lippenbekenntnis ist. Von diesen Tendenzen will sich das Burgenland mit der Entscheidung für Christian Kolonovits klar abgrenzen."

Der Künstler sei ein "idealer Repräsentant der kulturellen Vielfalt des Burgenlands", er werde "ein engagierter Vertreter der Kultur, der Volksgruppen und der Pluralität sein".

Kolonovits wird zu seiner Entsendung zitiert mit: "Ich sehe es als Herzensanliegen und große Chance, die gewachsene kulturelle Vielfalt des Burgenlandes im ORF zu vertreten. Der Österreichische Rundfunk hat einen Kulturauftrag, der einen noch breiten Stellenwert einnehmen kann. Auch dafür werde ich mich als Stiftungsrat einsetzen."

Heinz Lederer, Sprecher des SPÖ-nahen Freundeskreises im Stiftungsrat, begrüßte die Besetzung auf STANDARD-Anfrage als "Zeichen für Unabhängigkeit und gute Entscheidung für den kulturellen und programmlichen Schwerpunkte im ORF-Stiftungsrat". Zugleich bedauere er, "dass ein ausgewiesener Rechtsexperte wie Werner Dax nicht mehr im Gremium ist", der bisher das Burgenland im Gremium vertrat.

Entscheidungsorgan des ORF

Die insgesamt 35 ORF-Stiftungsräte entscheiden mit einfacher Mehrheit über die Bestellung von ORF-Generälen und -Direktoren, über grundlegende unternehmerische Maßnahmen, über jährliche Budgets und Programmschemata.

Der Stiftungsrat soll sich am 19. Mai neu konstituieren. Bundesländer und Bundesregierung entscheiden über je neun Mandate, Parteien im Nationalrat über sechs, der ebenfalls neu zusammenzusetzende ORF-Publikumsrat über sechs Mandate und der Zentralbetriebsrat über fünf.

Auch nach der Neubesetzung ist mit einer Mehrheit ÖVP-naher Stiftungsräte – wegen deren Gewicht in Bundesregierung, Nationalrat und Bundesländern – zu rechnen.

Die Stiftungsräte sind – wie andere ORF-Organe und -Mitarbeiterinnen – von Verfassung und ORF-Gesetz zu Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit verpflichtet.

"Offenkundig verfassungswidrig"

ORF-Anchorman Armin Wolf hat zuletzt in seinem Blog aus Aussagen des Rundfunkjuristen und heutigen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Christoph Grabenwarter, geschlossen, dass der ORF-Stiftungsrat "offenkundig verfassungswidrig", weil zu staatsnah besetzt sei. Der Verfassungsdienst im Kanzleramt widersprach. Ein Drittel der Abgeordneten im Nationalrat oder ein Bundesland könnten diese Frage vor den Verfassungsgerichtshof bringen. (fid, 21.4.2022)