Für Valerie stehen bald nur noch Ana und die Waage im Mittelpunkt ihres Lebens. So wie der Theaterfigur geht es immer mehr Jugendlichen.

Foto: Theater ecce/ Foto Flausen

Valerie wird gemobbt, fühlt sich unverstanden und ist unglücklich. Um ihre seelischen Schmerzen zu überwinden, fügt sie sich regelmäßig Verletzungen zu. Plötzlich erscheint Ana, ihre scheinbar neue beste Freundin, wie aus dem Nichts. Sie verspricht ihr ein neues, besseres, schöneres Leben und schenkt ihr eine Waage, die in Valeries Leben von nun an eine zentrale Rolle spielen wird.

Das Theater ecce erzählt mit dem Jugendstück "Thinderella" die Geschichte einer jungen Frau, die an Anorexie erkrankt ist, und thematisiert damit ein immer größer werdendes Problem – denn in der Covid-19-Pandemie haben die Fälle von Essstörungen und selbstverletzendem Verhalten stark zugenommen. Laut Gesundheitsministerium seien sechs von zehn Kindern und Jugendlichen in Österreich von Essstörungen betroffen.

Magersucht ist eine schwerwiegende psychosomatische Erkrankung, die insbesondere Frauen betrifft und sogar tödlich verlaufen kann. Die Betroffenen sind enormen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universitätskliniken in Heidelberg und Tübingen zeigte, hilft Psychotherapie gut bei Magersucht. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen waren fünf Jahre nach einer Behandlung beschwerdefrei. Doch 75 Prozent aller von Essstörungen Betroffenen gehen nie zum Arzt, zur Psychotherapeutin oder zum Psychologen. Auch das Volksbegehren für psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen fordert eine Aufstockung von Sozialarbeitern, Psychologen und Psychotherapeuten für Jugendliche.

Tabuthema mit Betroffenen thematisieren

Das Tabuthema zu thematisieren und sichtbar zu machen ist auch die Intention vom Salzburger Theater ecce und seinem künstlerischen Leiter Reinhold Tritscher. Das Theaterstück für alle ab zwölf Jahren beruht auf einer wahren Begebenheit und basiert auf ausführlichen Gesprächen des Autors und Regisseurs Benjamin Blaikner mit einer Betroffenen. "Sie sprach sehr offen und ohne etwas zu beschönigen über ihre Erkrankung", sagt Blaikner. Sehe man Menschen, die nicht gewissen "Normen" entsprechen, versuche die Gesellschaft oft, diese zu meiden, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.

Auf der Bühne des inklusiven, freien Theaters stehen neben professionellen Schauspielerinnen auch Jugendliche. "Das Theater ecce gilt als die Anlaufstelle in Salzburg, wenn es um die Auseinandersetzung mit 'unangenehmen' Themen geht, setzt sich für Außenseiter und Randfiguren ein und bietet Menschen ein Sprachrohr, die nicht gehört werden beziehungsweise denen nicht zugehört wird", sagt der Regisseur. Ergänzend zum Theaterstück werden gemeinsam mit Akzente Salzburg auch kostenlose Workshops für Schulklassen und Jugendgruppen angeboten. Anschließende Publikumsgespräche sind darüber hinaus Teil des Aufführungskonzeptes. (Stefanie Ruep, 10.5.2022)