Er macht ein paar flotte Schritte, der Oberkörper ist über das Rückenrohr gespannt, die Hände fest am Lenker. Dann setzt er den bloßen Fuß auf das kleine, scharf wirkende Eisenstangerl knapp über dem hinteren Rad und schwingt sich auf den Sattel. Es dauert einen Moment, bis die Füße in die fix mit dem Vorderrad verbundenen Pedale gefunden haben. Und dann fährt er durch seine Heimatgemeinde Parndorf: Josef Schaffarich, der seinerzeit in der Hochradszene angeblich "der Bloßfüßige" genannt wurde. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass er sich wieder in den Sattel hebt. "Das ist wie Radlfahren", sagt er, "das verlernt man nicht."

Josef Schaffarich fährt sein Hochrad meist bloßfüßig und ohne Helm. Aber er hat noch einen Zylinder und einen Frack für Hochradtreffen.
Foto: Guido Gluschitsch

Früher, erzählt der Pensionist, sei er noch öfter damit in die Arbeit gefahren. Rund zehn Kilometer waren das in jede Richtung. Ob das nicht gefährlich sei? Das sei es jedenfalls, erklärt er, weil die anderen Verkehrsteilnehmer kaum auf den übrigen Verkehr achteten, wenn wo einer mit dem Hochrad fahre. Sie schauten dann in die Höhe, zum Fahrer, statt nach vorne, wo sie hinführen.

Sturz nach vorn

Gestürzt sei er nie, und nach vorn umzufallen sei auch keine größere Gefahr, man sitze ja weit hinten. Das größte Problem sei das Auf- und Absteigen, erklärt er, bevor er sagt: "Magst probieren? Probier einmal." Doch ein kurzer Check im Geiste zeigt: Im Kalender des Autors ist kein Platz für Knochenbruch, Krankenhaus und Krankenstand.

Vor 70 Jahren war das Radllamperl ziemlich fesch.
Foto: Guido Gluschitsch

Nach einem Köpfler habe er eine ganze Woche lang Gedächtnislücken gehabt, erzählt Hans-Erich Dechant. Mit rund 40 km/h hat es ihn bei einem 100-Meilen-Rennen in Belgien aufgestellt. Und er hat nicht nur Schuhe, sondern auch einen Helm getragen. Er ist Maschinenbauer und verbindet das historische Hochrad gern mit der Moderne – und das betrifft nicht nur den Helm. Auch wenn er das nicht gern hört, ist er wohl einer der Väter der Hochradgemeinde in Österreich. Er leitete bis 2004 im Wuk in Wien Workshops für den Bau von Hochrädern.

"Historisch Verliebte hassen mich", sagt er, "weil ich moderne Hochräder baue. Ich mag die Form des Hochrades und die Bewegungsart, ich mag es aber auch, ein Hochrad so zu bauen, dass es funktioniert." Da geht es dann etwa darum, dass das Rückenrohr in einem Schwung ins Steuerlager übergeht. Er nutzt moderne Felgen, verwendet Nirosta-Speichen und Industriekugellager.

Aber die Pedale

Das Hochrad von Josef Schaffarich ist an die 70 Jahre alt und stammt aus Amerika. Das Einzige, was wirklich neu sein dürfte, sind die Pedale. Und dennoch ist er keiner von jenen, die Hans-Erich Dechant anfeinden. Ganz im Gegenteil, er begann selbst vor vielen Jahren im Wuk damit, ein modernes Hochrad zu bauen. Der gelernte Maschinenschlosser träumte von einem leichten Alu-Hochrad mit einer Freilaufnabe.

Die Pedale sind fix mit dem Vorderrad verbunden und erstaunlich modern.
Foto: Guido Gluschitsch

Auf dem Weg zur Arbeit hatte er nicht nur eine kleine Steigung, sondern auch eine Abfahrt. Und weil er dort bergab so schnell wurde, dass er nicht mehr mittreten konnte, nahm er an jener Stelle stets die Füße von den immer schneller kreisenden Pedalen. Man kann sich, auch wenn man noch nie mit einem Einrad gefahren ist, vorstellen, dass man da bald einmal nach einer anderen Lösung sucht. Fertig wurde das moderne Hochrad nie. Und das hat gute Gründe.

Das Hochrad von Josef Schaffarich hat sogar eine Bremse. Das haben nicht alle.
Foto: Guido Gluschitsch

Josef Schaffarich hat eine ganze Reihe von ausgefallenen, seltenen und alten Rädern. Ein modernes hat er zwar auch, aber da ist gerade keine Luft in den Reifen. Außerdem stehen in seiner Garage alte Motorräder und eine englische Beiwagenmaschine, die in der vergangen Monaten seine ganz Aufmerksamkeit forderte. Aber vielleicht erinnert er sich nun wieder an sein Hochradprojekt. Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein, denn Hans-Erich Dechant denkt auch gerade darüber nach, seine Workshops wieder anzubieten, weil er nun wieder die Zeit dafür finde.

Der Fahrrad-Fuhrpark von Josef Schaffarich
Foto: Guido Gluschitsch

Seinerzeit hat man rund 1100 Euro gebraucht, um sich bei und mit ihm ein Hochrad bauen zu können. Wie viel das jetzt sein könnte, rechnet Hans-Erich Dechant gerade aus. Und dabei merkt er schon, dass es auch in diesem Bereich Probleme gibt, Materialien rasch geliefert zu bekommen.

Hochrad ohne Bremse

Dieses Problem hatte Dieter Stauss noch nicht, als er sich vor ein paar Jahren ein modernes Hochrad aus Schweden kaufte. Mit einer Investition von 1600 bis 3000 Euro müsse man bei einem neuen Hochrad schon rechnen, sagt er. Gestürzt sei er noch nie. "Der erste Aufstieg war kein Erfolg, aber es war kein Sturz, sondern ein Abstieg", erzählt er. "Ich habe damals schon gemerkt, dass ich einen Sturz unbedingt vermeiden muss." Und das ist bei seinem Rad noch heikler, denn es hat gar keine Bremse. Damit sind Strecken, die sportlich bergauf oder bergab gehen, für ihn nicht bewältigbar. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Dieter Stauss in Bizau im Bregenzerwald lebt.

Dieter Stauss auf seinen Hochrad aus Schweden.
Foto: Stauss

Es sind die Historie und der Mut der Fahrer, die ihn am Hochrad reizen. Er erinnert an die "rudimentären Straßen am Ende des 19. Jahrhunderts, als das Hochrad" als Sportgerät oder dem Imponiergehabe diente.

Letzteres gehört wohl auch heute dazu, zumindest ein gewisser Wunsch aufzufallen, wenn man Hochrad fährt. Kommod ist es nicht, billig ist es nicht, schnell ist es nicht. Umweltfreundlich, ja, aber dann sind wir mit dem wirklich Sinnvollen auch schon am Ende. Dabei sagt Dieter Stauss: "Auf die gaffenden Nachbarn vergisst man." Er schätzt die Leichtigkeit, die Eleganz, den Verzicht. "Ein bisserl eigen muss man vielleicht schon sein", gibt aber der Bloßfüßige zu, als er sein Hochrad wieder abstellt. (Guido Gluschitsch, 12.5.2022)

Foto: Guido Gluschitsch