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In immer mehr Gärten ziehen Rasenmäher-Roboter leise surrend ihre Runden.

Foto: Getty Images/Westend61

Ein verletzter Igel, möglicherweise durch einen Roboter.

Foto: Vier Pfoten

Seit einigen Jahren landen in der Eulen- und Greifvogelstation in Haringsee Igel mit ungewöhnlichen Verletzungen. Mit abgeschnittenen Schnauzen zum Beispiel, zerschnittenen Pfoten oder anderen "schweren Verstümmelungen und ganz grauslichen Verletzungen", erzählt Hans Frey, Leiter der von Vier Pfoten geführten Auffangstation für Wildtiere in Niederösterreich. 2017 waren es vier solcher Igel, 2020 13. Im Vorjahr bereits 20.

Ähnliches wird in der Wildtierstation im Tierheim Mentlberg in Innsbruck berichtet: Jedes Jahr würden mehrere Igel mit regelrecht "abrasierten Gliedern oder Gesichtern" gefunden, die häufig eingeschläfert werden müssten, heißt es dort auf Nachfrage: "Wie viele Tiere im Gebüsch verenden, ohne gefunden zu werden, wissen wir natürlich nicht."

Die Tierschützer sind sich einig darüber, von wem die Igel so zugerichtet werden: von den Rasenmäher-Robotern, die in immer mehr Gärten leise surrend ihre Runden drehen.

Gartenboom

Zeitlich, sagt Frey, stimme der Beginn des Booms der Mähroboter mit der Häufung der Verletzungen überein. Die ersten Geräte kamen schon Mitte der 1990er-Jahre auf den Markt. Seit einigen Jahren lösen die Geräte, denen oft sogar liebe volle Kosenamen verpasst werden, Schritt für Schritt in immer mehr Gärten den guten alten Rasenmäher bereits ab.

Corona hat den Garten-Boom noch einmal befeuert. Baumärkte bemerken aktuell eine große Nachfrage nach den Geräten, besonders für kleinere Gärten mit weniger als 1000 Quadratmeter Fläche, wie eine Recherche bei Hornbach ergibt.

Die flinken Roboter ersparen Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzern viel Arbeit. Sie laden selbstständig, sind mittlerweile so gut wie lautlos im Einsatz und können bequem per App gesteuert werden. Das macht die elektrischen Schafe sehr praktisch.

Allerdings weisen Hersteller und Baumärkte auch immer wieder darauf hin, dass die Roboter kein Kinderspielzeug sind – und daher nur außerhalb der Reichweite von Kindern und weitab von Klein- und Haustieren zum Einsatz kommen dürfen.

Konkret sollte die Wiese vor der Inbetriebnahme nach versteckten Kleintieren abgesucht werden, auch sollte das Gerät nur unter Aufsicht durch den Garten düsen und nur tagsüber eingesetzt werden, um dämmerungs- und nachtaktive Tiere, wie eben Igel, nicht zu stören.

Features für die Sicherheit

Neuere Modelle werden zudem bereits mit zahlreichen Sicherheitsfeatures beworben. Sie sind etwa mit Ultraschallsensoren ausgestattet, die den Roboter Hindernisse, bevor er diese überhaupt berührt, erkennen lassen. Diese soll er dann großräumig umfahren.

Bloß: Glaubt man Tierschützern wie Hans Frey, passieren mit den Robotern trotzdem Jahr für Jahr sehr schwere Unfälle. "Beweisen können wir das aber nicht", betont er, denn die Tiere schleppten sich häufig schwerverletzt noch in ein Versteck, und der Unfall im Garten bleibe unbemerkt.

Betroffen von den Mäh-Geräten sind natürlich nicht nur Igel. Diese haben allerdings evolutionsbedingt einen riesengroßen Nachteil: Sie rollen sich bei Gefahr zusammen und machen sich nicht, wie andere Tiere, schleunigst aus dem Staub. Im Zweikampf mit einem Roboter ziehen die Igel schnell den Kürzeren.

Roboter vs. Igel

Dass die Mäh-Roboter für kleine Tiere nicht in allen Fällen sicher sind, belegen Tests der Geräte immer wieder. Noch konkreter wurde eine Studie aus dem Vorjahr, für die 18 unterschiedliche Mähroboter-Modelle in schwedischen bzw. dänischen Gärten mit sehr kleinen Igeln auf Kollisionskurs geschickt wurden. Das klingt makaber, aber die Tiere waren zu diesem Zeitpunkt bereits tot, die Wissenschafterinnen bekamen die Kadaver von Igel-Auffangstationen.

Bei den Versuchen in den Gärten zeigte sich: Einige der Roboter fügten den Igeln schwere, andere weniger schwere Verletzungen zu – und bei einigen der Roboter wären die Igel wohl sogar unverletzt geblieben.

Allerdings war keiner der Roboter in der Lage, die – toten – Igel ohne physischen Kontakt zu erkennen, auch wenn bei einigen der Modelle der Mäh-Vorgang bei der Kollision automatisch stoppte.

Gefahr für Kröten

Insgesamt könne man nicht mit Sicherheit sagen, ob auch nur ein einziges Modell für Igel sicher sei, schlussfolgerten die Studienautorinnen. Allerdings reduzierten Modelle mit schwenkbaren Klingen und Unterfahrschutz die Verletzungsgefahr. Auch die erwähnte Empfehlung, die Roboter nur tagsüber einzusetzen, reduziere die Gefahr für Igel, heißt es in der Studie. Freilich seien Igel manchmal auch bei Tageslicht unterwegs.

In der Eulen- und Greifvogelstation in Haringsee sorgt man sich nicht nur um Igel. Auch für Kröten stellten die Mäher eine Gefahr dar, weil diese im Gegensatz zu flink davonhopsenden Fröschen nur im Zeitlupentempo unterwegs sind. Auch Regenwürmer sind laut Hans Frey betroffen, weil diese in der Nacht an die Erdoberfläche kommen, um sich zu paaren, bei ihrem Liebesspiel aber bewegungsunfähig sind.

Und selbst wenn der Rasenmäher längst wieder in seiner Ladestation ist, stellt der stets perfekte Rasen für viele Tiere ein Problem dar: "Ein drei Zentimeter hoher Rasen ist lebensfeindlich", sagt Hans Frey. Hier gebe es keine Blüten, keine Artenvielfalt und keine Verstecke für Tiere mehr: "Dieser Zwang, den Rasen kurz zu halten, hat fatale Auswirkungen", betont der Experte.

Zeitgeist im Garten

Die Bio-Gärtnerin und Buchautorin Doris Kampas sieht das ähnlich: "Man will es sauber und ordentlich haben", sagt sie über den Zeitgeist in Österreichs Gärten, und stellt klar: "Aber das ist das Gegenteil von ökologisch und umweltfreundlich."

Ein kurz getrimmter Rasen nach englischem Vorbild sei hierzulande mit viel Ressourcenverbrauch verbunden: Das grüne Gras braucht im Sommer viel Wasser, oft werde auch Gift eingesetzt, um den Rasen makellos zu halten. Und Kampas kritisiert auch den Energieverbrauch der kleinen Roboter.

Oftmals stehe hinter den Geräten eine Technikverliebtheit, aber auch Bequemlichkeit. Denn ein gepflegter Garten ist viel Arbeit. "Aber man sollte einen Garten gleich so planen, dass nur so viel zu tun ist, wie man bewältigen kann", rät Kampas.

Was tun? "Am besten wäre es, den Roboter einzumotten", sagt Manuela Lanzinger von der Wiener Umweltberatung. Alternativ rät sie zumindest zu einem "wilden Eck" in einem wenig genutzten Teil des Gartens.

Allerdings ist es nicht damit getan, hier einfach mit dem Mähen aufzuhören. Wer sich eine Naturwiese wünscht, um Insekten und Kleintieren einen Lebensraum zu bieten, muss erst ein bisschen Arbeit investieren, erklärt Lanzinger.

Naturwiese als Ziel

Dem über Jahre meist gut gedüngten Boden müssen zuerst die Nährstoffe entzogen werden, damit neben dem Gras auch andere Pflanzen eine Chance haben. Und dann sollte das Stück Boden noch umgegraben und gelockert, auch sollten – je nach Lage – die richtigen Blumen ausgesät werden.

Genau jetzt wäre dafür die richtige Jahreszeit. "Aber über Nacht entsteht keine Blumenwiese", betont Lanzinger. "Dafür muss dann aber nur noch ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden."

Der Mäh-Roboter sollte künftig also einen großen Bogen um die Naturwiese fahren. Das freut die Insekten – und eben auch die Igel: Jene Tiere mit den Verletzungen, die in Haringsee landen, werden jedes Jahr, so gut wie möglich, aufgepäppelt – und an einem sicheren Ort wieder ausgesetzt. Also in einem Garten, in dem garantiert kein Roboter mäht. (Franziska Zoidl, 13.5.2022)