Karl Nehammer schaut in den Augen von 37 Prozent der Umfrageteilnehmer gut aus, aber das heißt nicht zwingend, dass es für ihn politisch gut ausschaut.

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"Wir sind's nicht", stellte der Pressesprecher von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag fest: Spekulationen über fragwürdige Umfragen im Auftrag des Kanzleramts wollte er wohl gar nicht erst aufkommen lassen (wir erinnern uns: eitler Pfau, Sportwagen). Wenige Stunden zuvor hat ein "Profil"-Redakteur den Screenshot einer Online-Befragung getwittert, bei der unter anderem abgefragt wurde, ob Nehammer "fesch" sei. Die Frage stand im Raum: Wer fragt hier die Österreicherinnen und Österreicher nach dem Aussehen ihres Regierungschefs?

Am Freitagmorgen lüftete die Tageszeitung "Heute" das Geheimnis: Sie hat die Umfrage in Auftrag gegeben. Und sie kommunizierte die Nachricht so, wie sie eigentlich alles kommuniziert, vom Kriegsausbruch bis zur Straßenumfrage: Mittels einer dringlichen "Breaking News"-Benachrichtigung auf den Geräten ihrer Leserinnen und Leser. "Nehammer fescher geworden, aber nicht so fesch wie Kurz", titelt die Zeitung.

Fescher als im Dezember, weniger fesch als Kurz

Die gute Nachricht für Nehammer: Im Feschak-Rating der Befragten konnte er seit Dezember um fünf Prozentpunkte auf 37 Prozent zulegen – was womöglich nicht mit seiner äußerlichen Veränderung zu tun haben könnte, sondern mit einer veränderten Wahrnehmung der Leute, die an Online-Umfragen teilnehmen. An seinen Vorvorgänger Sebastian Kurz kommt der Kanzler aber nicht heran: Den hielten 52 Prozent für gutaussehend – vor fünf Jahren, wohlgemerkt.

Nun ist das Wahlverhalten von Menschen nicht immer ganz rational, und ob eine Politikerin oder ein Politiker als attraktiv empfunden wird, ist in diesem Geschäft (leider) nicht irrelevant.

Mehrheit findet Nehammer nicht kompetent

Wenn Sie das ÖVP-Mitglied Ihres Vertrauens dieser Tage aber besonders eifrig über die Feschheitswerte des Kanzlers sprechen hören, könnte das einen anderen Grund haben: Die Äußerlichkeiten lenken von den katastrophalen Werten Nehammers in anderen Bereichen ab.

Weniger als die Hälfte der Befragten attestiert dem Kanzler "Durchsetzungsfähigkeit" – der Wert lag im Dezember noch bei 70 Prozent, Nehammer hat hier offenbar massiv abgebaut. Ebenfalls weniger als die Hälfte der Befragten findet den Kanzler kompetent, 62 Prozent halten ihn immerhin für ehrgeizig. Auch als sympathisch empfinden Nehammer nur 42 Prozent. In einem Land mit 100 Prozent Einwohnern kann das einen Regierungschef nicht glücklich machen.

Umfragen sind aber immer Momentaufnahmen, betonen Menschen in der Politik sehr gerne (vor allem dann, wenn die Umfragen ihnen nicht schmeicheln). Und immerhin hat diese Befragung wohl niemand bezahlt, der das nicht sollte. "Heute" veröffentlicht allerdings keine Daten, die Aufschluss über die Qualität der Umfrage geben könnten.

Wichtige Umfrage in Graz

Die wichtigere Abstimmung für Nehammer findet aber ohnehin am Samstag statt: Da stellt er sich dem Votum der ÖVP-Delegierten beim Parteitag in Graz. Sie können nur für oder gegen Nehammer stimmen – und müssen für diese Entscheidung Feschheit, Kompetenz, Durchsetzungsfähigkeit und Ehrgeiz selbst gegeneinander abwägen. (Sebastian Fellner, 13.5.2022)