Kunstdünger aus der Landwirtschaft kann indirekt zu mehr Wolken führen.
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Bisher zeigen die globalen Bemühungen gegen die Klimaerwärmung nur wenig Wirkung. Eine Möglichkeit, den Folgen des Klimawandels Herr zu werden, sehen manche Forschende im sogenannten Geo-Engineering, also im bewussten technischen oder chemischen Eingriff in die klimatischen Kreisläufe. Eine Methode wäre beispielsweise, die Ozeane mit Eisen zu düngen, um das Algenwachstum anzukurbeln und so größere CO2-Mengen zu binden. Freilich sehen viele Expertinnen und Experten dieses Verfahren äußerst kritisch

Eine andere, womöglich effektivere Methode wäre es, Schwefeldioxid in den höheren Atmosphärenschichten zu verteilen. Davon erhofft man sich eine dichtere Wolkenschicht, die die Sonneneinstrahlung reflektiert und unseren Planeten dadurch abkühlt. Also ganz ähnlich, wie dies in der Vergangenheit bei heftigen Vulkanausbrüchen geschehen ist.

Kunstdünger und Mist

Aber womöglich sorgen wir Menschen ohnehin bereits für ganz ähnliche Prozesse in der oberen Atmosphäre, wie die Ergebnisse eines Teams um Neil Donahue von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA) nahelegen. Die Gruppe mit österreichischer Beteiligung berichtet im Fachjournal "Nature", dass der massenhafte Einsatz von Kunstdünger und Mist aus der Tierhaltung immer mehr Ammoniak in die Atmosphäre bringt.

Während des asiatischen Monsuns wird diese Ammoniak verstärkt in die obere Troposphäre transportiert, wo es die Bildung von Partikeln und damit die Entstehung von Wolken fördert. Ob und wie viele Wolken am Himmel sind, hat großen Einfluss Erderwärmung. Diesen Effekt in Klimamodellen zu quantifizieren ist bis heute mit großen Unsicherheiten verbunden. Das liegt vor allem daran, dass die Entstehung von Kondensationskeimen in der Atmosphäre immer noch nicht im Detail erklärt werden kann.

Seit 2009 erforscht ein internationales Team beim Großexperiment CLOUD am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf die molekularen Mechanismen der Neubildung von Partikeln aus atmosphärischen Gasen, aus denen sich Kondensationskeime für Wolken bilden. Nun zeigte sich, dass die Anwesenheit von Ammoniak in der oberen Troposphäre zur verstärkten Bildung von Partikeln führen kann.

Sensible Zone

Die Troposphäre ist die unterste Schicht der Erdatmosphäre und reicht bis rund 15 Kilometer über die Erdoberfläche. Die obere Troposphäre spielt eine wichtige Rolle im Klimasystem, denn gerade hier haben bereits geringe Veränderungen der Zusammensetzung erheblichen Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Erde. Bilden sich hier neue Partikel, entstehen daraus auch mehr Wolken. "Die Vorläufergase, die diesen Prozess der Partikelbildung antreiben, sind jedoch nicht gut verstanden", betont Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck, einer der Mitautoren der neuen Studie.

Blick in die Wolkenkammer des CLOUD-Experiments am Kernforschungszentrum CERN.
Foto: CERN

"Mit Experimenten, die unter den Bedingungen der oberen Troposphäre in der CLOUD-Kammer am CERN durchgeführt wurden, konnten wir nun zeigen, dass Salpetersäure, Schwefelsäure und Ammoniak gemeinsam Partikel bilden, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die um Größenordnungen schneller ist, als wenn nur zwei der drei Komponenten miteinander reagieren", schildert Hansel.

Die Menge macht's

Welche Bedeutung dieser Mechanismus für die Wolkenbildung hat, hängt demnach von der vorhandenen Menge an Ammoniak ab. Bisher war man davon ausgegangen, dass Ammoniak beim Aufsteigen der Luftmassen ausgewaschen wird. Kürzlich wurden jedoch überraschend hohe Konzentrationen von Ammoniak und Ammoniumnitrat in der oberen Troposphäre über der asiatischen Monsun-Region beobachtet. Die Experimente in der Wolkenkammer zeigen nun, dass Ammoniak und Salpetersäure zusammen mit Spuren von Schwefelsäure rasch Kondensationskeime heranwachsen lassen.

"Darüber hinaus zeigen unsere Messungen, dass diese Kondensationskeime auch hocheffiziente Eisnukleationspartikel sind, deren Effektivität mit Wüstenstaub vergleichbar ist", erklärt Paul Winkler von der Forschungsgruppe Aerosolphysik und Umweltphysik an der Universität Wien. Die Modellrechnungen bestätigen, dass Ammoniak während des asiatischen Monsuns in großen Mengen in die obere Atmosphäre gelangt, dort mit Salpetersäure, die lokal durch Blitze entsteht, zusammen mit nur Spuren von Schwefelsäure rasch zur Bildung der beschriebenen Partikel führt.

Video: Wie Wolken entstehen
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Auswirkungen sind zu erwarten

Dadurch entstehen bei den kühlen Temperaturen der oberen Troposphäre Eispartikel, die sich über die nördliche Hemisphäre ausbreiten können. "Die meisten Ammoniakemissionen in Südasien stammen aus der Landwirtschaft und hier vor allem aus der vermehrten Verwendung von Kunstdünger neben der natürlichen Düngung mit Mist", sagt Winkler.

Wenn mehr Teilchen vorhanden sind, gibt es im Allgemeinen auch mehr Wolkentröpfchen, so Winkler. "Das bedeutet aber auch, dass sich der vorhandene Wasserdampf auf mehr Tröpfchen verteilen muss und somit die resultierende Tröpfchengröße kleiner bleibt." Dadurch würde die Lebensdauer der Wolke verlängert und es käme später zu Niederschlag. Auswirkungen auf die Niederschlagswahrscheinlichkeit seien zu erwarten, so die Forschenden. Konkrete Veränderungen etwa für Europa vorherzusagen sei aufgrund der "atmosphärischen Dynamik" jedoch schwierig. "Im Mittel wird sich dieser Effekt auf der nördlichen Hemisphäre aber schon auswirken", meint der Forscher. (red, 20.5.2022)