In der Gesundheits- und Pflegebranche fehlt das Personal. Eine Maßnahme, die gegen den Mangel helfen soll, ist das Anwerben von Quereinsteigern. Warum sie sich für einen Job im Gesundheitswesen entschieden haben, erzählen eine angehende diplomierte Pflegerin aus der Ukraine und ein Informatiker in einem Therapiezentrum. Trotz unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche verbindet beide der Wunsch, einen Beitrag zu leisten.

Quereinstieg in den Pflegeberuf

Nataliia Lytvynets (53) studiert Gesundheits- und Krankenpflege in Wien
Foto: heribert corn

"Bereits als junges Mädchen wollte ich immer Krankenschwester werden. Die Entscheidung, künftig im Gesundheitswesen zu arbeiten, hat sich durch meinen früheren Berufswunsch also von Anfang an richtig angefühlt.

Ich bin vor rund zehn Jahren von der Ukraine nach Österreich gezogen. Mein Mann hat damals bereits in Wien gearbeitet, und weil es mir hier sehr gut gefallen hat, haben wir uns entschieden, gemeinsam auszuwandern.

In Kiew habe ich ursprünglich Mathematik und Wirtschaft studiert. Die Anerkennung meiner Abschlüsse wäre in Österreich aber ein sehr langwieriger Prozess gewesen, weil die Ukraine kein EU-Land ist. Ich hätte sogar einige Kurse an der Uni nachholen müssen, das hätte viel Zeit in Anspruch genommen. Außerdem wäre es in meinem Alter nicht so einfach gewesen, einen Job in diesem Bereich zu finden.

Deshalb habe ich mich dazu entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Ich habe mich darüber informiert, welche Jobs in Österreich gebraucht werden, und bin dann auf den Bereich Gesundheit und Pflege gestoßen. Während meiner Schulzeit habe ich sogar ein Praktikum in einem ukrainischen Krankenhaus absolviert. Weil mir Mathematik im Unterricht aber immer schon gelegen ist, habe ich mich dann doch gegen die Ausbildung entschieden.

Sprachbarriere

Im Jahr 2013 konnte ich dann über den Integrationsfonds an einem Kurs zum Einstieg in den Pflegeberuf teilnehmen. Mein Deutsch war aber noch nicht gut genug. Deswegen habe ich danach erst einmal daran gearbeitet, meine Sprachkenntnisse zu verbessern, bevor ich 2017 die Ausbildung zur Pflegeassistenz gemacht habe.

Danach habe ich zwei Jahre im Wilhelminenspital in Ottakring gearbeitet. Ich war so froh, endlich im Beruf angekommen zu sein, und habe in dieser Zeit viel dazugelernt. Das hat aber auch dazu geführt, dass ich mein Wissen in diesem Fachbereich erweitern wollte.

Aktuell studiere ich im fünften Semester Gesundheits- und Krankenpflege am Campus Donaustadt. Das Studium ist nicht leicht, es umfasst viele Themengebiete, und die Gruppenprojekte und Seminararbeiten sind sehr aufwendig. Dennoch bin ich jeden Tag aufs Neue glücklich, mich für diesen Weg entschieden zu haben.

Nach meinem Abschluss Anfang Jänner möchte ich wieder in einem Krankenhaus arbeiten. Es ist zwar ein anstrengender Beruf, aber gleichzeitig bekomme ich so viel zurück. Jeden Tag sind Menschen dankbar für meine Arbeit und zeigen mir das auch. Das bedeutet mir wirklich viel.

Außerdem bin ich stolz darauf, mit meinem Beruf einen Beitrag zur Gesundheit der Menschen zu leisten. Wenn mich früher jemand gefragt hat, warum ich in der Pflege arbeiten will, habe ich gesagt, weil ich anderen helfen möchte. Heute weiß ich, dass ich andere unterstützen möchte, ein selbstbestimmtes Leben zu führen."

Gernot Greimler (38) arbeitet als Informatiker im Therapiezentrum
Foto: heribert corn

"Die Suche nach Erfüllung im Job, kam bei mir zu Beginn der Pandemie auf. Früher waren mir andere Aspekte wichtiger. Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr hat sich mein Wunsch gefestigt.

Durch Zufall bin ich dann auf eine Stellenanzeige des Start-ups Tech2People gestoßen. Das Jobinserat hat mich sofort angesprochen. Gesucht wurde jemand, der ein Modell aus Gesundheitsdaten bauen kann – also genau das Richtige für mich. Eine Anforderung von mir an meine neue Stelle war nämlich, dass ich näher an den Menschen sein wollte. Ich wollte die Ergebnisse meiner Arbeit sehen können. Nach ein paar Gesprächen haben beide Seiten schnell gemerkt, dass es passt, und seit fast einem Jahr bin ich nun als Chief Technical Officer dabei.

Was genau wir machen? Wir bieten im Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien robotische Therapie für neurologische Erkrankungen an, zum Beispiel das Training mit Exoskelett, um nach einem Schlaganfall wieder gehen zu lernen. Ich bin dabei aber nicht im therapeutischen Bereich tätig, sondern im technischen. Das heißt, mein Ziel ist es, mit den Daten, die diese robotischen Geräte liefern, Verbesserungen im Therapiealltag zu finden. Damit das funktioniert, werden unsere Daten mit den Erfahrungen der Therapeuten und Patienten abgeglichen und die Geräte daran angepasst.

Vom Konzern ins Krankenhaus

Davor habe ich meine gesamte berufliche Laufbahn – also rund 17 Jahre – in Konzernen gearbeitet. Von der Ausbildung her bin ich Softwareingenieur und Wirtschaftsinformatiker, und ich habe mich über die Jahre auf die Bereiche Big Data und Machine-Learning spezialisiert. In meinem Job kann ich also meine Expertise mit dem Anspruch, einen Beitrag zu leisten, verbinden.

Ich würde aber schon sagen, dass ich ein Stück weit Prestige gegen die Erfüllung eingetauscht habe. In meinem letzten Job habe ich knapp 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Team gehabt. Jetzt sind wir zu viert im Start-up. Aus dem Management bin ich dadurch auch zurück in einer operativen Rolle. Und auch beim Einkommen hat man in großen Firmen bestimmt bessere Aussichten. Ich habe mich aber bewusst für diesen Tausch entschieden und bereue es keinen Tag.

Auch in meinem privaten Umfeld habe ich gemerkt, dass sich viele beruflich verändern wollen; etwas suchen, das sinnstiftend ist. Der Wechsel aus Konzernen oder der Beratung hin zu kleinen Firmen mit Fokus auf Nachhaltigkeit oder Soziales.

Der Markt ist natürlich im Bereich IT sowieso schon stark umkämpft, und viele sehen das Gesundheitswesen wahrscheinlich nicht als Option für sich – bei mir war es früher nicht anders. Aber es gibt wirklich viele spannende Jobs für Entwickler in der Branche. Wir suchen auch gerade Leute für unser Team. Allen Interessierten möchte ich deshalb sagen: Es lohnt sich, über das Angebot in Konzernen hinauszuschauen – auch abseits der Sinnsuche im Job.

Wir sind ein junges Unternehmen, das alles gerade entwickelt. Man kann hier wirklich anpacken und gestalten, anstatt sich mit dem Altsystem der Vorgänger herumzuschlagen – und man sieht die Ergebnisse der eigenen Arbeit. Das war ja der Hauptgrund für meinen Wechsel. Jetzt mache ich etwas, worauf ich später einmal zurückblicke und sagen kann, ich habe meine Zeit gut genutzt." (Protokolle: Anika Dang, 12.8.2022)