August Wöginger wurde vom Nationalrat ausgeliefert, er wird der Anstiftung zum Amtsmissbrauch verdächtigt

Mitunter klappten Jobbesetzungen in der türkis-blauen Ära nur "mit Bauchweh" – aber sie klappten. Dass die Türkisen und ihre Verbündeten ihnen genehme Leute auf diverse Positionen setzten, ist längst bekannt. Neu sind aber immer wieder frisch auftauchende Chats, die detailreich zeigen, wie solche Karrieresprünge mit politischem Anschub vonstattengingen.

Solche hat nun die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in ihrem Verfahren gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger und den langjährigen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, ausgewertet. Den beiden wird Amtsmissbrauch beziehungsweise Anstiftung dazu vorgeworfen, es geht um die Besetzung des Chefpostens in einem oberösterreichischen Finanzamt. Wie berichtet hat das Rennen um diese Vorstandsposition ein ÖVP-Bürgermeister einer kleinen oberösterreichischen Gemeinde gemacht.

Der Bürgermeister soll in einer Sprechstunde mit Wöginger seine Karrierewünsche deponiert und der ÖVP-Klubchef diese dann an Schmid weitergegeben haben. Er wiederum soll Einfluss auf die eigentlich unabhängige Begutachtungskommission ausgeübt haben. Die hat den ÖVP-Mann dann Minister Hans Jörg Schelling (ÖVP) vorgeschlagen, der ihn in der Folge auch auf den Spitzenposten ernannt hat.

Eklatante Mängel

Schon damals wehrte sich eine unterlegene Mitbewerberin, die im Gegensatz zum Bürgermeister über langjährige Erfahrung im Bereich der Finanzämter verfügte. Im April 2021 sollte sie vom Bundesverwaltungsgericht recht bekommen, das "eklatante Mängel" der Begutachtungskommission erkannte.

Tatsächlich dürfte es schon in der Sitzung der Begutachtungskommission am 13. Februar 2017 nicht wie am Schnürchen gelaufen sein – aus Sicht derer, die den Bürgermeister protegierten. Das erschließt sich aus Chats zwischen einem von der Gewerkschaft entsandten Kommissionsmitglied und Schmid. "Hi! Mit Bauchweh – aber: Daumen hoch", wurde der informiert, und zwar, noch während die Kommission tagte. "Mein Held!", freute sich Schmid, um vom ÖVP-Gewerkschafter zu erfahren: "Man tut was man kann ;-)".

Nur 35 Sekunden nach diesem ersten Chat aus der Sitzung wandte sich Schmid dann an Wöginger: "Wir haben es geschafft! Der Bürgermeister schuldet dir was!" "Echt super", freute sich der ÖVP-Klubobmann, "bin total happy!!! Daumen hoch". Und: "DANKESCHÖN". Wöginger sagte nach Bekanntwerden der Vorwürfe, er habe die anderen Kandidaten nicht gekannt und "auch zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die unabhängige Kommission, die entschieden hat, genommen".

"Vorstellungen"

Auch der Bürgermeister dürfte sich gefreut haben, hatte er sich doch schon drei Monate davor um einen Leitungsposten in einem anderen Finanzamt beworben – vergeblich. Schon damals war jener Gewerkschafter in der Kommission gesessen, zu dem Schmid offenbar einen guten Draht hatte. Gemäß WKStA haben die beiden zwischen September 2014 und Oktober 2019 ungefähr 160 Nachrichten ausgetauscht. Zwischen erster, erfolgloser Bewerbung und zweiter, erfolgreicher bat Schmid den Gewerkschafter um Hilfe "in Oberösterreich", die beiden trafen einander auch persönlich – und zwar fünf Tage, bevor die Kommission zusammentrat. Eine Dreiviertelstunde vor dieser Sitzung ließ Schmid Wöginger wissen, dass er "erreichbar" sei – wobei die WKStA kein anschließendes Telefonat zwischen ÖVP-Klubobmann und Generalsekretär im Finanzministerium entdecken konnte.

Aber nicht nur bei Bürgermeistern, die in der Finanzverwaltung aufsteigen wollen, wurden Schmid und der Gewerkschafter laut den Ermittlern aktiv. Schon im Jahr 2015 hatte Letzterer vor der Besetzung einer Gruppenleitung gefragt, ob es seitens Schmid "schon eine Vorstellung" gebe und ob er vor der Sitzung der Kommission noch bei ihm "vorbeischauen" solle. Als es 2016 um eine Abteilungsleitung ging, erkundigte er sich ebenfalls, ob man "da vorher noch reden" solle. Als die Stelle dann mit einer Schmid bekannten Beamtin besetzt war, bedankte sich die für die "Unterstützung", was er mit "Ich zähle auf dich!!!" quittierte. "Ich geb alles, das hab ich versprochen!!!", reagierte die.

Der Gewerkschafter dürfte für Schmid auch in eigener Sache wichtig gewesen sein. Laut WKStA hatte ihn Schmid "um Unterstützung in Angelegenheiten eines eigenen Steuerverfahrens" gebeten. Zu diesem Behufe leitete er seine Steuernummer an den Beamten weiter. Der versprach, dass sich der für Schmid zuständige Finanzamtsvorstand "den Akt anschauen" werde. Und wieder war ein Held geboren: "Danke dir! Bist mein Held!", schwärmte Schmid. (Renate Graber, Fabian Schmid, 13.6.2022)