Was kommt dabei heraus, wenn Arbeitsminister Martin Kocher in einen aufwendigen Konsultationsprozess alle möglichen Interessengruppen einbindet, um ihre Meinung zu den notwendigen Arbeitsmarktreformen zu hören, und dann Verhandlungen mit den Grünen dazu startet? Die richtige Antwort: bisher nichts.

Kurz nach seinem Amtsantritt hat der Ökonom Kocher (ÖVP) eine größere Arbeitsmarktreform angekündigt, mit dem Ziel, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen und einige Fehler in der Arbeitslosenversicherung zu beheben. ÖVP und Grüne verhandeln, aber Kochers selbstgesteckte Deadline, ein Paket bis Ende Juni 2022 vorzulegen, wird er nicht einhalten können – zu weit sind die Positionen noch auseinander.

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) wird seine selbstgesteckte Deadline nicht einhalten können.
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Ist das ein Problem? Nein. Die Koalition soll sich ruhig Zeit nehmen. ÖVP und Grüne haben einige gute Ideen für eine Reform auf dem Tisch. Dafür wird vor allem die ÖVP teilweise über ihre ideologischen Schatten springen müssen.

Wie könnte ein gelungenes Paket aussehen? Ein Brocken betrifft die soziale Absicherung. Die Grünen pochen darauf, nach anderen Sozialleistungen künftig auch die Notstandshilfen der Teuerung anzupassen. Das ist eine gute Idee.

Österreich leistet sich mit der Notstandshilfe ein europaweit einmaliges Netz, um bei Menschen, die einmal gearbeitet haben, das Abrutschen in Armut zu verhindern, bei Bedarf bis zur Pensionierung. Das ist teuer und nicht immer ganz treffsicher. Aber es ist sozial sinnvoll. Angesichts der starken Teuerung gehören die Leistungen valorisiert. Ja, es gibt Einmalzahlungen an Notstandshilfebezieher, aber eine laufende Anpassung schafft längerfristig Absicherung.

Verschiebungen am Arbeitsmarkt

Eine weitere grüne Forderung, die sinnvoll ist, ist, Qualifizierungsangebote, die über das AMS laufen, zu stärken. Das AMS ist eine große Bildungsplattform. Dort gilt aber noch immer der Grundsatz, dass Menschen zuerst in Jobs vermittelt werden sollen. Bloß wenn sich keine Stelle findet, werden vom AMS Ausbildungen angeboten. Solange sie also gefragt sind, kann auch der unwilligste Koch keine Lehre als Elektrotechniker absolvieren.

Das ist nicht zeitgemäß und wird zu einer Belastung in einer Zeit, in der große Verschiebungen am Arbeitsmarkt nötig werden, Stichwort: Klimawandel.

Gerade diese Punkte – mehr Geld für Langzeitarbeitslose und ein Fokus auf Qualifizierung – werden für die ÖVP nicht leicht zu verdauen sein. Zu lange hat sie das Bild vom faulen Arbeitslosen in der "sozialen Hängematte" strapaziert.

Aber, und deshalb haben die Verhandlungen Potenzial, auch die ÖVP will etwas. Die zentrale Forderung von Martin Kocher ist, ein degressives Arbeitslosengeld zu schaffen: Dabei würden Jobsuchende zunächst etwas mehr Geld bekommen, wobei dieser Betrag dann auf das aktuelle Niveau absinken sollte. Dieses Modell soll Menschen Anreiz bieten, sich schneller einen Job zu suchen. Eine Zauberwirkung braucht sich niemand zu erhoffen. Aber einen Versuch ist es wert, der Versuch muss wissenschaftlich evaluiert werden.

Um dieses Modell zu finanzieren, darf es allerdings für Jobsuchende keine Wartefrist von mehreren Wochen geben, während derer sie kein Geld vom AMS bekommen. Das Geld für die Reform wird also woanders herkommen müssen, Ideen dazu gibt es schon. Aus dem "Nichts" kann also noch etwas werden. (András Szigetvari, 29.6.2022)