Gerald Fleischmann (ganz links) mit Anwalt Klaus Ainedter (vorne rechts).

Foto: APA/Fohringer

Es war selbst für den türkisen Umgang mit dem U-Ausschuss bemerkenswert, was vergangene Woche im Camineum der Hofburg passierte: Der langjährige Kurz-Vertraute Gerald Fleischmann versuchte de facto, seine gesamte Befragung zu blockieren. Am Ende flog sogar seine Vertrauensperson, der Anwalt Klaus Ainedter, aus der Befragung – und ÖVP-Grande Wolfgang Sobotka wollte sich dem Vernehmen nach nicht einmal ordentlich bei Fleischmann verabschieden.

Was war passiert? Schon in seinem Eingangsstatement zog Fleischmann gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vom Leder, die ihn in der Causa Beinschab als Beschuldigten führt. Auch der U-Ausschuss und die Opposition bekamen ihr Fett ab. Fleischmann argumentierte einerseits sinngemäß, dass er Ermittlungen wegen des Verdachts auf Falschaussage fürchte, wenn er einzelne Dinge vergesse; andererseits bestehe im Ermittlungsverfahren auch ein Aussageverweigerungsrecht, und er wisse nicht, in welche Richtung sich die Untersuchung der WKStA noch bewegen werde.

Fleischmann: "Ich weiß, dass es im U-Ausschuss kein generelles Entschlagungsrecht gibt, aber meine ausführlich dargelegten Gründe, keine Fragen zu beantworten und von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, kommen einem solchen faktisch gleich."

Entschlagung bei Job-Description

Dass der jetzige Mitarbeiter des ÖVP-Klubs das ernst meint, zeigte er gleich bei der Eingangsbefragung von Verfahrensrichterin Christa Edwards. Deren Frage war relativ simpel: "Was tut ein Leiter einer Stabsstelle für strategische Kommunikationsberatung? Was tun Sie da konkret, haben Sie getan?" Auch das sei Gegenstand des Ermittlungsverfahrens, und da "jedes Wort, das ich hier sage, unserer Erfahrung nach auf die Goldwaage gelegt wird", verweigerte Fleischmann die Auskunft.

Verfahrensrichterin Edwards: "Bei der Frage (…) sehe ich beim besten Willen nicht, wie das Ihr Strafverfahren negativ beeinflusst, wenn Sie mir sozusagen eine Jobbeschreibung geben."

Fleischmann: "Wenn Sie mich fragen: Okay, es ist sozusagen sehr abstrakt und klar zu definieren, was der macht und was der macht, aber jeder sozusagen füllt ja eine Rolle irgendwie besonders aus. Und wenn Sie mich jetzt fragen: Was haben Sie in dieser Rolle gemacht?, dann betrifft das ehrlicherweise aus meiner Sicht schon diese Ermittlungen und betrifft mich in meinen Rechten (…)"

Fast einstündiges Warten auf simple Frage

Nach Edwards übernahm dann der SPÖ-Fraktionsvorsitzende Jan Krainer die Befragung. Er wollte von Fleischmann wissen, ob dieser als Mitarbeiter des ÖVP-Klubs Zugang zu U-Ausschuss-Akten habe.

Fleischmann: "Das ist meiner Ansicht nach nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses."

Edwards: "Das würde ich jetzt so nicht sagen. Ich würde meinen, das kann ... – das hat schon einen Bezug, ob Sie Zugang zu Akten haben und damit sozusagen in Ihrer ... – Belassen wir es dabei!"

Fleischmann: "Zugang wozu, wäre die Frage, wenn ich Gegenfragen stellen dürfte."

Krainer (SPÖ): "Ich habe es schon gefragt: zu Akten oder Unterlagen."

Fleischmann: "Meinen Sie ... – Sind die irgendwie klassifiziert, oder meinen Sie einfach so Vorbereitungsunterlagen oder ... "

So ging es weiter, bis Fleischmann sich entschlagen wollte; was wiederum Verfahrensrichterin Edwards nicht akzeptierte – sie wollte von ihm wissen, wie er sich bei Beantwortung der Frage einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen könnte. Es ginge ihm um eine potenzielle Ermittlung wegen Falschaussage, erwiderte Fleischmann. Rund zehn Minuten später:

Krainer (SPÖ): "Ob Sie Zugang zu Akten des Untersuchungsausschusses haben, ja."

Fleischmann: "Was bedeutet 'Zugang'?"

Schlussendlich, als bereits gut eine Stunde Befragungszeit vergangen war, landete Fleischmann bei einem "Ich weiß es nicht" – nur um dasselbe Vorgehen bei einer Frage nach Gesprächen mit dem Vorsitzenden Wolfgang Sobotka über den U-Ausschuss zu wiederholen.

Fleischmann: "Aber, darf ich fragen: Es ist ja nicht Gegenstand der Vollziehung des Bundes, oder? Also das –"

Edwards: "Es geht jetzt nicht darum, ob es Gegenstand der Vollziehung des Bundes ist, sondern dass ich Ihnen erklärt habe, dass wir Fragen der Vorbereitung auf den Untersuchungsausschuss als Usus in diesem Untersuchungsausschuss schon wiederholt, mehrfach und des Öfteren zugelassen haben und ich bei Ihnen jetzt nicht die allererste Ausnahme machen kann und möchte und will und werde."

Fleischmann: "Aber darf ich darauf hinweisen: Weil es Usus ist – Also ich berufe mich auf meine Rechte und nicht auf einen Usus."

Edwards: "Ihr Recht besteht darin, dass Sie mir eine potenzielle strafbare Handlung glaubhaft machen, die Ihnen droht. Jetzt haben Sie sich so oft und so viel mit Ihrem Anwalt oder Ihrer Vertrauensperson besprochen, der wird Ihnen doch schon irgendeinen Paragrafen des StGB gesagt haben, der potenziell hier infrage kommt, wodurch Sie sich mit Beantwortung dieser Frage strafbar machen könnten. Ich weiß es noch immer nicht, und daher ist es mir nicht glaubhaft gemacht – Entschuldigung."

Fleischmann: "Ja, Frau Richterin, aber es ist nicht Vollziehung des Bundes – um das geht es mir eigentlich."

Edwards: "Und außerdem ist es die Aufgabe des Vorsitzenden, mit meiner Beratung die Zulässigkeit einer Frage und den Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand festzustellen. Und Ihre sozusagen eigene Bewertung kommt damit einer Verweigerung der Antwort gleich. (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)"

Fleischmann: "Es tut mir wirklich leid, aber ich wurde darüber informiert, dass diese Frage nicht von der Verfahrensordnung dieses Untersuchungsausschusses gedeckt ist, weil es eben nicht Vollziehung des Bundes ist, und daher –"

Auch Sobotka drängte nun schon auf eine Antwort, während dem blauen Fraktionsvorsitzenden Christian Hafenecker der Kragen platzte: Man müsse "über den Einsatz von Beugemitteln sprechen", weil: "So kann es doch nicht weitergehen, das ist ja ein Hohn!"

Das vorläufige stenografische Protokoll des U-Ausschusses erklärt dann in folgender schöner Passage, was passierte: "Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson. – Die Auskunftsperson berät sich mit der Verfahrensrichter-Stellvertreterin. – Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson. – Vorsitzender, Verfahrensrichter-Stellvertreterin und Verfahrensanwältin beraten sich. – Die Auskunftsperson berät sich mit Vertrauensperson und Verfahrensanwältin. – Die Auskunftsperson berät sich mit Verfahrensrichter-Stellvertreterin und Verfahrensanwältin."

Nach einer Stehung zur Debatte der Geschäftsordnung landete man nach etlichen Minuten wieder bei einer sehr allgemeinen Antwort: "Also dann beantworte ich die Frage wie folgt: dass ich in meiner Erinnerung sicherlich mit dem Herrn Präsidenten einmal über den Untersuchungsausschuss gesprochen habe."

Filibustern

Fast die gesamte Befragung gestaltete sich so: Fleischmann bestritt die Zulässigkeit von Fragen, stellte Gegenfragen oder entschlug sich auch bei simplen Fragen, etwa ob er bestimmte Meinungsforscher kenne. Das drückte naturgemäß die Stimmung der Abgeordneten.

Hafenecker (FPÖ): "Herr Vorsitzender, auch noch einmal mein dringender Appell an Sie: Sie haben den Vorsitz, Sie haben auch die Möglichkeit, hier einmal einzugreifen. Das ist doch ein Zirkus, was da abläuft. Das sieht man doch. Wir sind jetzt zwei Stunden in der Befragung – Herr Vorsitzender, zwei Stunden! –, wenn ich als Nächster drankomme, dann ist es wahrscheinlich so, dass wir fertig sind. Das ist kein Zustand."

Sobotka: "Abgeordnete Tomaselli, zur Geschäftsordnung. (Zwischenruf des auf den Tisch klopfenden Abg. Hanger.)"

Tomaselli (Grüne): "Ich würde – – (In Richtung Abg. Hanger): Hör einmal auf mit der Klopferei jedes Mal! (Abg. Stögmüller: Wir sind ja nicht am Fußballplatz!) Jetzt bin ich dran!"

Sobotka: "Abgeordnete Krisper ist am Wort. (Abg. Tomaselli: Nein, ich bin am Wort!) – Abgeordnete Tomaselli, Entschuldigung."

Tomaselli (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): "Genau. Ich wollte nur vorschlagen: Ich habe wahrgenommen, dass die Frau Richterin etwas zu den Aussagen von Herrn Fleischmann sagen möchte. Ich würde gerne aus zeitökonomischen Gründen eine Stehung vorschlagen. Meine Bitte an Sie, Herr Vorsitzender, ist, dass Sie bitte etwas tun. Wir müssen uns hier auch nicht alles anhören. Sie haben selber die Frage zugelassen, und jetzt kommt irgendein ausschweifendes Aussageverweigerungsgedingens daher."

Flüssiger wurde die Befragung allerdings auch nach der Stehung nicht. Fleischmann weigerte sich etwa lange, die allgemeine Frage nach seinen Wahrnehmungen zur Aktenlieferung des Bundeskanzleramts an den Ibiza-U-Ausschuss zu beantworten.

Fleischmann: "Also meine Begründung wäre schon, dass ich mich möglicherweise einer falschen Aussage schuldig mache, weil ich einfach nicht weiß, was in den Chats und E-Mails – – (Abg. Tomaselli: Das ist kein Entschlagungsgrund! – Abg. Hafenecker: Beugestrafe! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller. – Die Vertrauensperson wendet sich an die Auskunftsperson.)"

Edwards: "Darf ich bitte, vielleicht zur Güte – – (…) Bei dem Delikt des § 288 StGB ist der Vorsatz gefragt, und daher obliegt das nur Ihnen. Das können doch nur Sie beurteilen, ob Sie jetzt vorsätzlich eine falsche Beweisaussage machen. Das ist doch nicht ein potenziell permanentes Im-Raum-Stehen, das können nur Sie beantworten. Sie müssen wissen, ob Sie jetzt vorsätzlich etwas Falsches sagen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie bei einer Frage zu Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss jetzt vorsätzlich eine falsche Aussage machen."

Das führte so weit, dass langsam auch Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) ungemütlich wurde. Ihm wird allgemein ja von der Opposition und auch den Grünen vorgeworfen, vor allem türkisen Auskunftspersonen zu viel durchgehen zu lassen – wobei sich Sobotka da stets auf den Verfahrensrichter oder die Verfahrensrichterin beruft.

Bei Fleischmann reichte es Sobotka allerdings selbst. Auf dessen erneute Ausführungen, warum er bei Beantwortung der Fragen Angst vor strafrechtlicher Verfolgung habe, meinte Sobotka knapp: "Das wissen wir jetzt schon."

Krainer (SPÖ): "Sind Sie persönlich aufgefordert worden, Akten und Unterlagen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zur Verfügung zu stellen? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)"

Sobotka: "Sind Sie persönlich aufgefordert worden, die Akten, Ihre Akten, für den Ibiza-Untersuchungsausschuss zu liefern? Ja? Nein? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)"

Fleischmann: "Herr Abgeordneter, darf ich Sie fragen, haben Sie dazu irgendeine Unterlage, oder worauf zielen Sie ab, oder inwiefern ist das eigentlich relevant für den Verfahrensgegenstand?"

Sobotka: "Da brauchen Sie nur Ja oder Nein zu sagen. Sind Sie aufgefordert worden, Akten zu liefern? (…)"

Es dauert, bis Fleischmann endlich antwortet: Es habe eine E-Mail gegeben, wo man aufgefordert worden sei, "etwas irgendwohin zu schicken", dem sei er "nachgekommen".

Ainedter verärgert die Abgeordneten

Eine besondere Rolle spielte in all dem auch Fleischmanns Rechtsanwalt Klaus Ainedter, der ihn als Vertrauensperson zur Befragung begleitete. Eine Auskunftsperson darf sich vor Beantwortung einer Frage mit der Vertrauensperson beraten, diese soll allerdings nicht selbst aktiv werden. Genau das warfen die Abgeordneten Ainedter jedoch vor.

So monierte Hafenecker: "Ich habe den Eindruck, dass die Vertrauensperson mittlerweile wirklich massiven Einfluss auf die Auskunftsperson nimmt und sie nicht immer das sagen kann, was sie gerade will."

Wenig später:

Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): "Ich ersuche noch einmal, die Vertrauensperson abzumahnen. Die Auskunftsperson wollte antworten, und die Vertrauensperson hat sie im wahrsten Sinne des Wortes zurückgehalten, indem sie ihr sogar die Hand gehalten hat, damit sie ja nicht antwortet. Ich ersuche, sie abzumahnen. Wenn das noch einmal so geht, werde ich den Antrag auf Ausschluss der Vertrauensperson stellen – nur um das hier auch anzukündigen."

Das bestritt Fleischmann, daraufhin wurde die Befragung aber deutlich flüssiger. Recht ausführlich antwortete der frühere Medienberater des Kanzlers beispielsweise, wie er das Erscheinen des Ibiza-Videos erlebt hatte. Auch einzelne Themen, die mit dem Außenministerium unter Kurz zu tun hatten, erklärte Fleischmann.

Als es um das Thema Medienpolitik ging, wurde Ainedter wieder aktiver – bis es Krainer reichte: "Das Maß ist voll. Ich stelle den Antrag auf Ausschluss der Vertrauensperson, weil sie sich jetzt wieder mitten in die Antwort hineinreklamiert und die Auskunftsperson – jedenfalls aus meiner Sicht wahrnehmbar – an einer vollständigen Aussage hindert."

Sobotka: "Gibt es noch eine Wortmeldung dazu? – Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich über den vorliegenden Antrag betreffend den Ausschluss von Mag. Klaus Ainedter abstimmen und bitte diejenigen, die für den Ausschluss sind, um ein dementsprechendes Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag mehrstimmig angenommen."

Für die Opposition samt Grünen ein durchaus riskanter Schritt, hätte Fleischmann daraufhin doch die Befragung einfach abbrechen können. Tat er aber nicht – und die letzten Minuten der Sitzung vergingen relativ unspektakulär, was auch daran lag, dass die ÖVP selbst mit der Befragung dran war.

Blockadestrategie

Vonseiten der ÖVP wird immer wieder vorgebracht, dass ein U-Ausschuss bei parallel laufenden Ermittlungen keinen Sinn ergebe. Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) schlug vergangenes Jahr in diese Kerbe. Aus Sicht der Opposition ist es jedoch kaum vorstellbar, jahrelang bis zum Abschluss von Verfahren auf die politische Untersuchung von Missständen zu warten. Das ist auch weder in Deutschland noch in Großbritannien oder den USA der Fall.

Tatsächlich zeigt gerade die Befragung von Fleischmann, dass Entschlagungsrechte recht weitläufig akzeptiert werden. Allerdings gibt es eine Reihe von Anwälten, die ihrer Mandantenschaft dazu raten, so gut wie keine Fragen des U-Ausschusses zu beantworten. Die Denkweise dahinter erklärte etwa Anwalt Georg Eisenberger im Interview mit dem STANDARD.

Verfahren wegen des Verdachts auf Falschaussagen gab und gibt es tatsächlich viele, Anklagen oder gar Verurteilungen sind jedoch eine Rarität. Die überwiegende Mehrheit der Ermittlungen wurde eingestellt, wenngleich Johann Fuchs, Chef der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, derzeit in Innsbruck auch wegen des Verdachts auf Falschaussage der Prozess gemacht wird. Weithin bekannt sind auch die Ermittlungen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz, bei denen vieles auf eine Anklage hindeutet. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 7.7.2022)