Rund die Hälfte der Stromkosten entfällt auf Nebengebühren. Vor den aktuellen Steuersenkungen war der Anteil noch deutlich höher.

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Rund 1.000 Euro zahlt eine durchschnittliche dreiköpfige Wiener Familie derzeit für Strom. Wer einen genaueren Blick auf die Rechnungen wirft, merkt allerdings, dass nur die Hälfte des Preises auf Energie zurückzuführen ist. Der Rest entfällt auf Netzentgelte und Abgaben. Die SPÖ fordert daher die Senkung der Umsatzsteuer – eine Maßnahme, die entlastend wirken würde und relativ leicht umsetzbar wäre. Im Vergleich zu einem Preisdeckel hätte der Staat dabei jedoch weniger Spielraum.

Konkret bezahlt die dreiköpfige Beispielfamilie 502,03 Euro an Stromkosten. Weitere 264,02 Euro entfallen auf Entgelte für die Netzbetreiber. Aber auch der Staat schneidet mit: Für die Gebrauchsabgabe und die Elektrizitätsabgabe werden 50,22 Euro fällig, für die Umsatzsteuer 163,25 Euro – immerhin eine Viertel der gesamten Rechnung. Der Anteil der Nebenkosten ist mit rund einer Hälfte noch immer relativ hoch, zuletzt hat sich das Verhältnis jedoch aus mehreren Gründen geändert.

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Die staatliche Energiebehörde E-Control erhöhte zu Beginn des Jahres die Netzentgelte um rund 9,1 Prozent. Für einen durchschnittlichen Haushalt ergaben sich daraus jährliche Mehrkosten zwischen 20 und 25 Euro. Die Behörde begründete die Erhöhung mit gestiegenen Kosten der Netzbetreiber, die in die Erneuerung des bestehenden Leitungsnetzes investiert haben – nicht zuletzt für den Ausbau erneuerbarer Energien. Ob im kommenden Jahr wieder eine Erhöhung notwendig wird, kann die E-Control auf STANDARD-Anfrage noch nicht sagen.

Auch bei den Abgaben gab es im vergangenen Jahr eine Änderung – in diesem Fall allerdings zugunsten der Verbraucher. Die türkis-grüne Bundesregierung strich Anfang 2022 die Ökostromabgabe. Mit Mai reduzierte sie dann zusätzlich die Elektrizitätsabgabe um 90 Prozent. Beides zusammen brachte einem Durchschnittshaushalt eine Entlastung von rund 150 Euro jährlich, die im Verbraucherpreisindex sichtbar wurde: Im Vergleich zu April sank der durchschnittliche Strompreis im Mai 2022 um 5,9 Prozent, im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,1 Prozent. Der Gaspreis stieg seit letztem Jahr dagegen deutlich um rund 70 Prozent.

Parteien bei Umsatzsteuer gespalten

Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Strompreis spätestens im Herbst wieder kräftig anziehen wird. Die Politik diskutiert daher zuletzt vermehrt über Preisdeckel. Entlasten könnte der Staat aber auch über eine Senkung der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer). Derzeit werden für Strom und Gas 20 Prozent fällig. Der Staat profitiert also von der Inflation, die im Energiebereich besonders hoch ist. Er könnte die Steuer etwa auf zehn Prozent senken – eine Maßnahme, die auch im "Werkzeugkasten" der Europäischen Kommission gegen die hohen Energiepreise vorgesehen ist.

Die österreichische Politik ist bis dato allerdings gespalten: Während die SPÖ schon länger eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie fordert, sind die Regierungsparteien ÖVP und Grüne zögerlich. Laut ÖVP werden "alle Vorschläge von der Bundesregierung geprüft und gemeinsam mit Expertinnen und Experten diskutiert". Aus Sicht der Grünen müssen Steuersenkungen im Kampf gegen die hohen Preise "mit Bedacht eingesetzt werden". Die Maßnahme sei nicht treffsicher, weil jene, die am meisten konsumieren, am stärksten profitieren. Derzeit prüfe man "über die europäische Ebene hinaus, welche nationalstaatlichen Möglichkeiten es gibt, um bei Strompreisen bestmöglich abfedern zu können".

Kompromisse möglich

Auch Expertinnen und Experten kritisierten in der Vergangenheit, dass eine Senkung der Umsatzsteuer wenig treffsicher wäre. Dasselbe würde allerdings für den nun diskutierten Preisdeckel gelten, von dem je nach Ausgestaltung ebenfalls alle Konsumentinnen und Konsumenten profitieren würden.

Ökonomen wie Klaus Weyerstrass vom Institut für Höhere Studien (IHS) lehnen sowohl einen Preisdeckel als auch eine Senkung der Umsatzsteuer ab. "Wir brauchen das Preissignal", sagt der Experte im STANDARD-Gespräch. "Alles, was in den Preismechanismus eingreift, ist kontraproduktiv." Zudem sei fraglich inwieweit Steuersenkungen tatsächlich an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden. Zwar sind Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, die Durchsetzung dürfte in der Praxis allerdings schwierig sein. Ein Kompromiss wäre laut Weyerstrass, den betroffenen Haushalten den Preis der letztjährigen Stromrechnung zu garantieren. Für alles, was darüber hinausgeht, müssten die Verbraucher den Marktpreis bezahlen. (Jakob Pflügl, 13.7.2022)