Die Regierungskrise in Italien kommt für die Europäische Zentralbank (EZB) zur absoluten Unzeit. Im Kampf gegen die mit 8,6 Prozent überbordende Inflation in der Eurozone ist sie spät dran. Am Donnerstag soll der erste Zinsschritt die seit März 2015 bestehende Nullzinsphase beenden, da bringt das politische Chaos im hochverschuldeten Italien, ohnedies Achillesferse der Eurozone, zusätzlich zur Inflation neue Sorgen – nämlich, dass die Anleihenrenditen des Landes auf ein untragbar hohes Niveau klettern. Blöd, dass beide Probleme nach gegensätzlichen Lösungen verlangen.

Strafft die EZB die geldpolitischen Zügel nicht aggressiv genug, kann sich die hohe Inflation dauerhaft manifestieren.
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Um die Inflation zu drosseln, müsste die EZB die Zinsen ähnlich entschlossen erhöhen, wie es andere Notenbanken bereits getan haben. Dies würde das schuldengeplagte Italien noch mehr belasten – zumal sich dessen Financiers sich nun auch die große politische Unsicherheit am Anleihenmarkt durch höhere Zinsen abgelten lassen. Strafft die EZB die geldpolitischen Zügel jedoch nicht aggressiv genug, kann sich die hohe Inflation dauerhaft manifestieren – und damit auch die einhergehenden sozialen Probleme.

Die Notenbank muss also bei anstehenden Zinserhöhungen einen sehr schmalen Grat beschreiten, ohne auf eine Seite abzustürzen. Gelingt dies nicht, folgt die nächste Eurokrise – entweder wegen der Aushöhlung seiner Kaufkraft oder durch wiederaufgekochte Schuldenprobleme mancher Mitgliedsstaaten. (Alexander Hahn, 15.7.2022)