Eine echte Reform des Parteiengesetzes kann nur von außen kommen, denn die Parteien selbst haben kein Interesse an kargen Konstruktionen, argumentiert der Kulturwissenschafter Christoph Landerer im Gastkommentar.

Streng und fair soll es sein – Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer und der ÖVP-Abgeordnete Andreas Ottenschläger sind mit dem neuen Parteiengesetz zufrieden.
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Ein "Meilenstein" sollte es werden, das "strengste Parteiengesetz in der Geschichte unseres Landes" (Sigi Maurer). Mit Blick auf die neu verankerten Prüfrechte des Rechnungshofs ist das auch nicht falsch – doch die Latte lag nicht eben hoch, und reformiert wurde nur die Spitze eines Eisbergs. Auf finanzieller Seite betrifft die Novelle im Wesentlichen Regelungen zu privaten Spenden und schärfere Sanktionen im Fall von Kostenüberschreitungen und fehlender Deklaration. Da das System 2019, vor dem Hintergrund eklatanter Regelignoranz durch die Kurz-ÖVP, quasi zwangsverstaatlicht wurde, liegen die zulässigen Spenden – alle Parlamentsparteien zusammengenommen – in einem Bereich von knapp vier Millionen Euro, die zulässigen Wahlkampfkosten betragen (in Wahljahren) etwa 7,5 Millionen pro Partei.

Das ist nicht wenig Geld, aber es sind Peanuts im Vergleich zur allgemeinen Parteienförderung, über die kaum noch geredet wird, seit es den österreichischen Parteien gelungen ist, die mediale Wahrnehmung des Reformbedarfs in Richtung "Transparenz" umzulenken. Die direkte jährliche Parteienförderung (exklusive Klub- und Akademieförderung) durch die öffentliche Hand beträgt aktuell 157 Millionen Euro, die Kammern fördern am Parteiengesetz vorbei – mit weiteren 33 Millionen Euro (2021). Die Höhe der Förderungen wurde vom Rechnungshof in seiner Urgenz vom Oktober letzten Jahres als "politische Fragestellung" ausgeklammert. Es liegt daher an der interessierten Öffentlichkeit, das Thema aufs Tapet zu bringen.

Frugales Deutschland

Das österreichische Parteiengesetz leidet samt seinen bisherigen Novellen an einem politisch-rechtlichen Grundübel: Hier bestimmen jene über ihr (finanzielles) Geschick, die in dieser Sache im wahrsten Sinne des Wortes "Partei" sind – und an kargen Konstruktionen keinerlei Interesse haben. Der deutsche Gesetzgeber hat dieses Problem durch enge Kooperation mit Expertenkommissionen gelöst. Verglichen mit den österreichischen Regelungen sind die deutschen frugal: Deutschland fördert mit Beträgen unter einem Euro, pro gültige Stimme, und auf lediglich einer Ebene.

Das österreichische Gesetz dagegen sieht drei Förderebenen vor (Bund, Länder, Gemeinden), eine Auszahlung pro Wahlberechtigten und einen skurrilen "Förderkorridor", der Mindest- und Höchstzahlungen regelt. 2012 wurde für den "Korridor" ein Bereich von 3,1 bis elf Euro festgelegt (indexiert, mal drei), Beträge und Abrechnungsmodus sind seither mit Verfassungsmehrheiten einzementiert. Allein die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre – das niedrigste Wahlalter Europas, gemeinsam mit Malta – bringt so seit 2007 ein Plus von circa drei Prozent an öffentlicher Förderung – unabhängig davon, wer sich hier überhaupt an welchen Wahlen beteiligt.

"In Deutschland versteht sich die öffentliche Hand nur als Teilförderer."

Anders als in Deutschland ist in Österreich schon der Parteienbegriff auf eine Weise liberal gestaltet, dass ein Abgreifen der gesamten Förderung auf Basis von lediglich vier Mitgliedern möglich ist – Liste Pilz und Team Stronach verstanden sich so in ihrer Anfangszeit als Quasi-Privatparteien, die Abkehr von diesem Modell erfolgte auf öffentlichen Druck. Auch die Verwendung der Gelder ist weitgehend liberal geregelt – und soll es offenbar auch bleiben, trotz Ermahnungen des Rechnungshofs. So löste etwa die Liste Pilz den Konflikt um das fehlende Mandat, der nach dem Rücktritt vom Rücktritt des Parteigründers entstand, auf kreative Weise durch die Schaffung eines neuen Postens mit dem Titel "Parteivorsitz". Üblicherweise ein Ehrenamt, wurde die Position mit einem Abgeordnetengehalt versehen und schließlich aus der Parteienförderung finanziert. Anything goes.

Eine Orientierung am deutschen System, wie sie in Österreich vor 2012 etwa von den Grünen gefordert, aber nicht einmal im Ansatz verwirklicht wurde, müsste freilich auch das Verhältnis von öffentlicher und privater Förderung neu in Diskussion bringen, eine diesbezügliche Debatte hat in Österreich nie stattgefunden. In Deutschland versteht sich die öffentliche Hand nur als Teilförderer. Die Parteien sind aufgerufen, selbst zu ihrer Finanzierung beizutragen, und werden dabei staatlich bezuschusst, doch ein zu hoher Privatanteil führt zu einer Kürzung der öffentlichen Mittel ("absolute Obergrenze" von aktuell 200 Millionen). Österreich dagegen kombiniert – in einer im internationalen Vergleich äußerst unüblichen Praxis – exorbitante öffentliche Förderungen mit eng beschränkten Spendenmöglichkeiten.

Notwendige Debatte

Private Spenden an politische Parteien müssen geregelt werden, aber sie sind in allen demokratischen Systemen auch ein Ausdruck individuellen gesellschaftlichen Engagements, das nicht durch staatliche Kartelle ersetzt werden sollte. Wir brauchen hier eine nachholende Diskussion – die auch im Blick behalten muss, dass das österreichische öffentliche Fördersystem das teuerste Europas ist, möglicherweise der westlichen Welt überhaupt. Reform- oder Debattenbedarf sehen allerdings weder Politik noch Zivilgesellschaft. Eine grundsätzliche Reform des Parteiengesetzes, gerade auch in Hinblick auf die öffentliche Finanzierungskomponente, wurde selbst von den Vertretern des Transparenzvolksbegehrens nicht gefordert.

Da eine echte Reform nur von außen erfolgen kann, wäre die Regierung Bierlein der ideale Kandidat für die Einsetzung einer Kommission aus Expertinnen und Experten gewesen. Diese Chance wurde vertan, und auch der Bundespräsident hält sich – ebenso wie sein Amtsvorgänger – aus der Sache heraus. Vielleicht darf man hoffen, dass der anlaufende Präsidentschaftswahlkampf eine Gelegenheit bietet, das Thema auf die Agenda zu setzen.(Christoph Landerer, 18.7.2022)