Wifo-Chef Gabriel Felbermayr hat der in der Teuerungskrise vom Ertrinken bedrohten Bundesregierung mit einem pragmatischen Vorschlag einen Rettungsring zugeworfen: den Stromrechnungsdeckel, bei dem der Durchschnittsverbrauch von Haushalten staatlich gestützt wird, höhere Stromrechnungen hingegen nicht. Das schlägt viele andere Forderungen, die seit Monaten in der aufgeheizten Energiekostendebatte herumschwirren. Die Menschen werden finanziell entlastet, doch die Anreize zum Stromsparen bleiben. Kanzler Karl Nehammer und Energieministerin Leonore Gewessler greifen erleichtert zu – und hoffen, damit den immer stärkeren politischen Druck, gegen die Teuerung mehr zu tun, wieder etwas zu mildern.

Mit dem Stromrechnungsdeckel wird der Durchschnittsverbrauch von Haushalten staatlich gestützt, höhere Stromrechnungen hingegen nicht.
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Aber bloß weil ein Vorschlag besser ist als andere, ist er noch lange nicht gut. Und das weiß der Wifo-Chef wahrscheinlich selbst. Seit Monaten raten die meisten Ökonomen davon ab, die durch den Ukraine-Krieg rasant gestiegenen Energiekosten mit Steuergeld für alle abzugelten. Viel besser als diese Gießkannen-Methode wäre es, die Hilfe auf die bedürftigen Haushalte zu begrenzen, sagen sie. Für die Mittelschicht seien die hohen Strom- und Gaspreise zwar schmerzhaft, aber nicht bedrohlich, und sie müssten vom Staat nicht abgegolten werden.

Soziale Treffsicherheit

Eine allgemeine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie, wie sie etwa die SPÖ fordert, läuft solchen Empfehlungen komplett zuwider und fördert außerdem die Energieverschwendung. Felbermayrs Plan weist eine gewisse soziale Treffsicherheit auf: Er nützt den einkommensschwachen Haushalten mit meist niedrigerem Verbrauch verhältnismäßig mehr. Allerdings würden wohlhabende Großverbraucher ebenfalls profitieren. Die Kosten von ein bis zwei Milliarden Euro müsste wohl oder übel der Staat übernehmen. Eine Überwälzung auf die Stromversorger würde jene Unternehmen gefährden, die stark von Gas abhängig sind. Und eine Steuer auf angebliche Übergewinne wirft andere Probleme auf.

Eleganter ist das spanische Modell, das geschickt in das EU-System eingreift, wonach die teuerste Energiequelle den Strompreis bestimmt. Und das ist derzeit Gas. Der Preis für jenes Gas, das in die Stromproduktion fließt, wird gedeckelt, die dafür notwendige Förderung durch einen Aufschlag auf den Strompreis finanziert. Dennoch schrumpft die Rechnung für die Haushalte, ohne dass es den Fiskus etwas kostet. Allerdings lässt sich der heimische Strommarkt nicht so leicht abschotten wie der spanische. Folgt Österreich dem Beispiel, würden wir subventionierten Strom in die Nachbarstaaten exportieren.

Auch bei Felbermayrs Modell steckt der Teufel im Detail und wird, wenn es um die konkrete Umsetzung geht, noch für viel Zwist sorgen. Vor allem aber ist es unsicher, ob die politische Rechnung aufgeht. Auch die bisher beschlossenen Förderungen haben den Absturz der türkis-grünen Regierung in den Umfragen nicht gestoppt, was übrigens für die meisten Industriestaaten gilt. Ein plötzlicher Inflationsschub ist politisches Gift, für das kein wirksames Gegengift existiert. Es sei denn, der Staat greift direkt in die Märkte ein und sorgt dafür, dass die Preise auf ihr altes Niveau zurückfallen. Die langfristigen Kosten solcher wirtschaftlicher Unvernunft sind enorm; der Stromrechnungsdeckel ist ein deutlich kleineres Übel. Das hat sich wohl auch Felbermayr gedacht, als er ihn vorgeschlagen hat. (Eric Frey, 18.7.2022)