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Die Lücken im Lebenslauf werden in Bewerbungsgesprächen zum Thema gemacht

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Bei Bewerbungsgesprächen wird gerne in die Vergangenheit geschaut: der Lebenslauf mit seinen "verdächtigen" Lücken. Die Stationen bis jetzt, die auffällig kurzen Verweildauern oder die nicht bestens abgeschlossenen Ausbildungen. Offenbar sollen Zielgerichtetheit, Durchhaltevermögen und Leistungsbereitschaft erkannt werden. Meistens anhand von schulischem "Erfolg" bei jungen Menschen, damals Kindern, für die Noten oft lebenslang Beurteilungskriterium bleiben. Der Kontext all dieser Beurteilungen bleibt unerheblich.

Es wird leider auch immer noch gerne nach Checkliste gefragt: Was waren die größten Erfolge, was die größten Niederlagen? Welche guten und welche schlechten Eigenschaften haben Sie? Offenbar soll das Rückschlüsse auf das Selbstbild erlauben und Prognosen über das Verhalten im künftigen Job ermöglichen.

Die richtigen Antworten

Gut, also strategisch vorgehen und sich dazu im Vorfeld etwas überlegen, gute Antworten parat haben. Vermutlich will das Recruiting auch hören, was aus dem Scheitern gelernt wurde. "Ich lerne aus Erfolgen, nicht aus Niederlagen", wäre die beste Antwort, ist aber hierzulande unüblich – also Vorsicht. Es wird ja nach wie vor auf Fehler fokussiert; Mann und Frau, grundsätzlich als ungenügend betrachtet, sollen sich dauernd selbst reparieren wollen und "weiterentwickeln". Die gefragte Innenschau im Berufsleben hat einen klaren Auftrag: fehlerfreier, produktiver und leistungsfähiger im Firmenkontext werden. Es geht schließlich nicht um ein Eintrittsticket zu einem Meditationskurs.

Ist die Selbstbetrachtung der Eigenschaften auf der Plus- und Minusliste einfacher? Spekuliert man über die Erwartungen auf Recruitingseite, dann tut sich ein Minenfeld auf. Erwünschte Eigenschaften (teamfähig, kommuniziere gerne, bin flexibel) sind bekannt, also dürfen sie auf die "gute" Seite. Trickreich wird es bei den "schlechten". Da wird etwa gerne "Ungeduld" aufgezählt. Das ist in der Arbeitswelt und ihrer Logik eigentlich grundfalsch. Denn Effizienz und Tempopeitsche brauchen Ungeduld, permanente Unruhe, sogar Getriebenheit. Wer auf fortschrittlichere Fragen wie "Können Sie gut entspannen?" positiv antwortet, könnte sich, obwohl in der Selbstfürsorge hochentwickelt, verdächtig machen: Entspannung, während die Kollegen ums Leiberl hackeln?

Mit alten Entweder-oder-Fragen, mit Aussortieren nach Noten, mit schwarz-weißen Checklisten und vollgestopften Anforderungen in Ausschreibungen können Firmen ihre Personalnot nicht lindern. Und vor allem Potenziale nicht erkennen. (Karin Bauer, 9.8.2022)