Mit den richtigen Tools können sich Unternehmen für Notfälle wappnen.

Foto: gettyimages

"Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen Sie sich in zehn Jahren zurücksehnen werden." Dieser Satz von Peter Ustinov gilt nicht mehr. Die Zeiten sind vorbei, als man sich zur Warnung vor Katastrophen und ihren enormen Folgen etwa an die Terrorattacken in New York (2001) oder Madrid (2004), die Hitzekatastrophe in Frankreich (2003), den Hurrikan Katrina (2005) oder die Maul- und Klauenseuche in Europa (2007) erinnern musste. Heute erleben wir unterschiedliche Desaster live und immer öfter.

Mittlerweile werden viele der Aussage des Technikvorstands des deutschen Energieversorgers EWE vom Mai 2022 zustimmen: "Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem." Umsetzen müsste man Notfallpläne; hat man derartige Strategien nicht, müsste man deren Ausarbeitung forcieren.

Bevor man eine Strategie entwickelt, also etwa als Energieversorger beschließt, die Öl- und Gasproduktion zur Energiegewinnung bis 2030 um 20 Prozent zu senken, ist eine Risikoabschätzung angebracht. Externe Ereignisse könnten dennoch die Implementierung dieser Entscheidung über den Haufen werfen. Um das zu vermeiden, muss man rechtzeitig die Situation des Unternehmens beurteilen. Oft reicht dafür eine einfache Einschätzung aus, die mögliche Gefahren nach drei Kriterien unterscheidet:

· Die Wahrscheinlichkeit einer Störung: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Ereignis eintritt und unsere Ressourcen, Lieferketten, Abnehmer und Shareholder beeinträchtigt? Welche Ereignisse können das sein, bei welchen ist die Eintrittswahrscheinlichkeit hoch, bei welchen gering?

· Die Auswirkungen: Welche Auswirkungen können die Störungen haben, führen diese zu massiven oder geringen Schäden für das Unternehmen?

Aus der Kombination dieser beiden Kriterien kann man in einer einfachen 2x2-Matrix ablesen, welche Gefahren mit hoher oder geringer Wahrscheinlichkeit eintreten und ob die Störungen stark oder eher schwach sein werden. Und dann wird auch klar, dass bei hoher Wahrscheinlichkeit und schweren Konsequenzen (Zusammenbruch der Rohstoffversorgung oder von Spitälern) Feuer am Dach ist.

· Auch die Zeitdauer ist wichtig: Wie lange nach der Entdeckung des Ereignisses tritt ein Schaden auf? Manche Katastrophen erkennt man erst, wenn sie schon da sind, bei den allermeisten gibt es eine Reihe von Warnsignalen. Also ist es wichtig, dass ein Unternehmen rechtzeitig die Lunte riecht.

Diese drei Kriterien des Massachusetts Institute of Technology (MIT) unterscheiden sich von den Katalogen des Risikomanagements. Diese Kategorien sollten ausreichen, um Krisen identifizieren zu können, um Reaktionsmöglichkeiten vorzubereiten und notwendige Einschulungen organisieren zu können. Welche Gefahren welche Folgen haben können, variiert nach Branche, Organisation, Region, Lage und Märkten. Meist überlassen Firmen diese komplexe Thematik Spezialisten. Aber Krisenführung ist etwas anderes: die Erhöhung der Flexibilität eines Unternehmens.

Keine Organisation kann auf einfachem Weg flexibler werden. Arbeitsroutinen, tradierte Regeln und die Unternehmenskultur sperren sich dagegen. Eine krisenfeste Führung müsste besonders auf drei Aspekte achten:

· Die Aufmerksamkeit: Ist die Firma in der Lage, Probleme frühzeitig zu erkennen? Fehler und Abweichungen bemerken zu können setzt eine relativ offene Kommunikation voraus, dass die Führung nicht zentralisiert ist und Manager nicht der Regel folgen "Ein guter Chef weiß, was er nicht wissen will."

· Die Beziehungen zur Umwelt: Will man rechtzeitig Informationen von Außenstehenden bekommen, braucht die Organisation gute Beziehungen; auch um weiche Informationen (etwa Gerüchte) mitzubekommen, die Fakten vorauseilen.

· Eine Personalpolitik, die Expertise schätzt, Mitarbeiter an sich bindet und nicht nach dem Hire-and-Fire-Prinzip funktioniert. Die weltweiten Probleme mit dem Groundhandling an Flughäfen sind ein eindrückliches Beispiel für Missmanagement.

Das sind Bausteine, die eine Organisation resilient machen, um nach einem Desaster zur normalen Funktionsweise zurückkehren zu können, und so wird man nicht erst im Nachhinein klüger. (Stefan Titscher, 10.8.2022)