Ein kleiner Teich plätschert leise, Efeu und Salbei wuchern dekorativ, eine Katze schnürt durch den Hof, es riecht nach frischem Kaffee. Eine Stahltreppe ragt in die Höhe, die Morgensonne leuchtet auf Beton, Holz, die Ziegelfassade und die Eisenträger alter Produktionshallen. Eine Idylle, in die sich langsam entspannte Geschäftigkeit mischt.

Das Gundeldinger Feld im Süden von Basel ist ein Ort der idyllischen Unordnung. Bis zur Jahrtausendwende wurden hier Kompressoren hergestellt, dann wurde das Areal verkauft. Fast alle Interessenten wollten die Betriebsgebäude abreißen und durch lukrative Wohnungen ersetzen. Eine Gruppe um Barbara Buser und Eric Honegger war die Ausnahme. Ihnen schwebte eine produktive Stadt vor, und ein Freiraum, wie es ihn im Quartier nur selten gibt. Sie bekamen den Zuschlag. Heute arbeiten hier rund 250 Menschen, abends beleben Gastronomie und Kultur die Höfe.

Schweizer Abfall

Buser und Honegger sind ohne Zweifel die Pioniere der Wiederverwertung in der Architektur. Schon in den 1990er-Jahren gründete Buser die Bauteilbörse, 1998 mit Honegger das "baubüro in situ". Den Impuls dafür lieferte den beiden ein längerer Aufenthalt zur humanitären Hilfe in Afrika. Dort wurde ihnen klar, wie verschwenderisch man in Europa mit Materialien umgeht. Was in der Schweiz im Abfall landete (und das war auf dem Bau damals praktisch alles), sei besser als das, was man in Ruanda neu kaufte, sagen sie. Das führte zu einem komplett anderen Blick auf Architektur. "Man merkt, was wirklich wichtig ist im Leben und was nur Show", so Barbara Buser.

In der Bauteilbörse in Basel lagern alle möglichen Bauteile. Sie sind bereit, wieder in den Kreislauf einzutreten.
Foto: Maik Novotny

Das Gundeldinger Feld wurde zum ersten Testlauf für die Idee, zu erhalten und zu tauschen, anstatt abzureißen und neu zu bauen. Stück für Stück wurden die Bauteile saniert, die größeren Hallen umgebaut, die nicht mehr benötigten alten Fenster aus einem benachbarten Wohnbau herübergetragen und eingebaut. Auch das baubüro in situ selbst hat hier seinen Sitz, selbstverständlich auch in Re-Use-Möblierung: Die Tische sind gebraucht, das leuchtend orangene Stahlgerüst stammt aus einem CoOp-Warenlager, die Teppichplatten aus den Büros Basler Pharmagiganten.

CO2 sparen

Die ersten Aufträge für das "baubüro in situ" waren kleinere Umbauten, damals redete kaum jemand von Kreislaufwirtschaft und Architektur im selben Atemzug. Auch potenziellen Bauherren musste man klarmachen, worum es geht. "Wir sagen allen Interessenten am Anfang: Man spart nicht Geld, man spart CO2", sagt Tina Ekener, Partnerin im Baubüro. "Das Finden, Transportieren, Lagern und Einbauen von Bauteilen, das kostet Zeit und Manpower."

Doch immer öfter finden sich progressive Bauherren wie die Stiftung Abendrot, die das Baubüro mit der Aufstockung des K.118-Areals in Winterthur beauftragte. Diese erfolgte zu 80 Prozent mit wiederverwerteten Materialien, inklusive Tragwerk, Stiegenhaus und Fassade. 60 Prozent der Treibhausgasemissionen und 500 Tonnen Primärmaterialien konnten im Vergleich zu neuen Bauteilen eingespart werden.

Bricolage-Ästhetik

Aber wie plant man als Architekt einen Umbau aus Teilen, die man erst noch finden muss? "Man braucht viel mehr Zeit am Anfang", sagt Tina Ekener. Um die Suche zu professionalisieren, hat das Baubüro den neuen Beruf des Bauteiljägers erfunden. Ein Beispiel für erfolgreiches Jagen und Sammeln ist das Projekt Elys auf dem Basler Lysbüchel-Areal an der Grenze zu Frankreich. Die ehemalige Großbäckerei wurde zu einem Sport- und Kulturzentrum, um Licht in die Räume zu bringen, schnitten die Architekten einen Hof und eine Schneise in die Substanz.

Das Lysbüchel-Areal, Basel: Kreislaufwirtschaft und Architektur im selben Atemzug, zirkuläres Bauen mit Bricolage-Ästhetik: Die Schweiz macht’s vor.
Foto: Martin Zeller

"Unsere Bauteiljäger haben dann alle Fensterbauer in der Umgebung gefragt, ob sie Produktionsreste übrig haben. In kürzester Zeit hatten wir 200 Fenster, alle neu und normgerecht." Und alle unterschiedlich. Also arrangierte man die Collage in Fassadenelemente und ergänzte sie mit einer grünen Wellblechfassade aus dem Bestandsbau. Das ergibt eine Bricolage-Ästhetik, die für manche gewöhnungsbedürftig ist. "Das wird uns auch manchmal vorgeworfen", sagt Ekener. "Doch ästhetische Vorstellungen wandeln sich immer. Beim Entwerfen mit Re-Use fängt man eben nicht bei null an."

Gebrauchte Fenster

Um das Wissen aus fast 25 Jahren Wiederverwertungspraxis besser einzusetzen, gründete man 2020 das Zweitbüro "zirkular", das das aufwendige Bauteiljagen auslagert und Know-how beratend weitergibt. "Unsere Aufgabe ist es auch, zu vermitteln, dass man immer mit Risiken und Unwägbarkeiten rechnen muss", erklärt Andreas Oefner, gemeinsam mit Kerstin Müller Geschäftsführer von zirkular.

"Man weiß eben nie, welche Bauteile in zwei Jahren verfügbar sind. Aber wir wissen, bei welchen wir die besten Chancen haben. Diese Chancen versuchen wir zu maximieren." Und wenn man statt 40 gebrauchten Fenstern nur 30 finde, kaufe man den Rest eben dazu. Man sieht: Es steckt viel Improvisationstalent in der präzisen Schweiz.

Krisen als Chance

Noch ist viel zu tun – das Problem der Garantie gebrauchter Bauelemente ist noch nicht gelöst, sagt Ekener, und die digitale Katalogisierung noch im Anfangsstadium. "Großartig wäre es, wenn irgendwann der komplette Bestand katalogisiert ist, wenn Materiallager und Architektur deckungsgleich sind. Aber das ist ein langer Weg."

Die Aufstockung des K.118-Areals in Winterthur erfolgte zu 80 Prozent mit wiederverwerteten Materialien, inklusive Tragwerk, Stiegenhaus und Fassade.
Foto: Martin Zeller

Eine Beschleunigung des Kreislaufbewusstseins könnten ausgerechnet die Krisen von Corona bis Ukraine erzeugen, die für erhebliches Stocken der globalen Transportwege gesorgt haben. "Ein Bauherr hat uns sogar genau deshalb angefragt", so Ekener. "Ihm ging es nicht darum, CO2 zu sparen. Er wollte, dass sein Zeitplan hält." Denn wenn die Schranktür in China festsitzt oder der Stahl im Suezkanal, sind Umbauten aus lokalen Ressourcen besser planbar.

Zurück in den Kreislauf

Zehn Minuten mit dem Bauteilbüro-Velo Richtung Osten. Ein unscheinbarer Gewerbebau am Frachtenbahnhof Dreispitz, darauf prangt in roten Buchstaben: BAUTEILBÖRSE. Darin auf drei Stockwerken das Zubehör der Architektur, ordentlich portioniert und in Regalen aufgereiht. 35 Sorten Parkett, Fliesen, Holztüren, Leuchtstoffröhren, WCs, Bidets, Herde, Cerankochfelder. Alle bereit, um nach kurzer Verschnaufpause wieder in den Kreislauf einzutreten.

Parkett, Fliesen, Holztüren, Leuchtstoffröhren, WCs, Bidets, Herde, Cerankochfelder. All das wartet auf einen nächsten Einsatz.
Foto: Maik Novotny

Vielleicht liegen die Zukunft der Architektur und die Rettung ihrer weltverbessernden Ideale in diesem letzten Dürresommer vor dem globalen Klimanotstand nicht im Wüstensand von Dubai, nicht in den Stahlgewittern prunkender Signature-Museen und nicht in der zerstörerischen Wachstumsgesellschaft. Sondern hier. (Maik Novotny, 15.8.2022)