Die starke – oder zumindest vielfältige – Konkurrenz, die dem Amtsinhaber Alexander Van der Bellen bei der kommenden Bundespräsidentenwahl im rechten Spektrum erwächst, muss für diesen kein Nachteil sein. Van der Bellen hatte es bisher mangels ernstzunehmender Gegenkandidaten ohnedies schwer, seine Wählerschaft zu mobilisieren. Da tut ihm ein bisschen Bedrohungsszenario durchaus gut. Auch wenn das, was sich da am rechten Rand zusammenbraut, recht unappetitlich ist.

Aber man sieht: Ein Selbstläufer ist dieser Wahlgang für Van der Bellen keineswegs. Die Wählerschaft von damals, als nicht nur Grüne, sondern auch weite Teile der SPÖ und der ÖVP sowie die linksbewegte Zivilgesellschaft, die massiv für Van der Bellen liefen und ihn wählten, um den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer zu verhindern, gibt es in dieser Form nicht mehr. Letztlich, also im letzten von insgesamt drei Wahlgängen, wurde Van der Bellen 2016 von fast zweieinhalb Millionen Menschen gewählt, das waren 54 Prozent der Stimmen. Diese Wählerschaft wird er nicht noch einmal hinter sich vereinen können.

Für Alexander Van der Bellen ist dieser Wahlgang kein Selbstläufer.
Foto: APA/FRANZ NEUMAYR

Die ÖVP ist jedenfalls deutlich auf Distanz zu Van der Bellen. Und die SPÖ tut so, als sei ihr das alles egal. Es gibt demonstrativ keine Unterstützung, nicht einmal eine Empfehlung. Eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten allerdings auch nicht.

Potpourri aus Gegenkandidaten

Nur die Grünen laufen und sammeln fleißig Unterstützungserklärungen. Van der Bellen ist also quasi wieder ein Parteikandidat geworden. Aber den meisten Menschen scheint die Bundespräsidentenwahl herzlich egal zu sein. Sie wird offenbar als belanglos angesehen. So gesehen bringt das skurrile Potpourri aus Gegenkandidaten, die sich für die Hofburg in Stellung bringen, nicht nur ein wenig Abwechslung, sondern vielleicht auch jene Aufmerksamkeit, die diese Wahl verdient.

Kaum ein Bundespräsident war so gefordert wie der jetzige, er hatte Krisen ohne Ende zu meistern, lernte die Verfassung lieben und musste den Ausgleich suchen, wo man ihm das kaum zugetraut hatte. Natürlich hätte er mehr und manches anders machen können, er hätte Missstände klarer und deutlicher ansprechen können, so wie er das erst jetzt im aufkommenden Wahlkampf tut. Aber es war in vielen Situationen ein Segen, einen Bundespräsidenten wie ihn zu haben, der Ruhe in die aufgeheizte Situation brachte und vielen Menschen, den meisten, das Gefühl gab, da ist einer, der alles irgendwie noch zusammenhält.

So gesehen ist es nachvollziehbar, dass ÖVP und SPÖ auf einen eigenen Kandidaten verzichtet haben. Der Bergunfall, den Van der Bellen vergangene Woche erlitt, macht aber nachdenklich. Was wäre, wenn das nicht so glimpflich ausgegangen wäre, wenn der Bundespräsident aus gesundheitlichen Gründen plötzlich aus dem Rennen genommen wäre? Wer würde dann Bundespräsident? Marco Pogo? Gerald Grosz? Walter Rosenkranz? Tassilo Wallentin?

Da täten wir uns als Republik und als Gesellschaft schön anschauen. Es ist ein Fehler der großen Parteien, nicht wenigstens anstandshalber eine Kandidatur probiert zu haben. Oder auch ernsthaft, zum Beispiel mit einer Frau, die andere Themen angesprochen hätte, die selbst für ein anderes Politikbild gestanden wäre als diese, Entschuldigung, etwas fade oder skurrile Männerriege. (Michael Völker, 26.8.2022)