Thomas Madreiter, Wiener Planungsdirektor, schreibt in seinem Gastkommentar über die Vorteile von Städten – auch bei Klimafragen.

Über Städte haben wir sehr festgefügte Bilder im Kopf und sie kommen dabei häufig nicht gut weg. Unsere Vorurteile weisen Städten die Rolle des Problembären zu. Für Städte würden die Landschaft zubetoniert und Flächen der Nahrungsmittelproduktion entzogen werden, darüber hinaus produzierten sie auch noch soziale Probleme. Und das sei angesichts der Klimaprobleme nicht hinzunehmen.

Das kritisiert auch STANDARD-Kolumnist Hans Rauscher in seinem Einserkastl. Bei vielen verbündet sich der völlig zu Recht geforderte Umbau der Städte angesichts der Klimakrise dabei aber auch mit einer grundlegenden Skepsis gegenüber jeglicher Entwicklung der Stadt, gerade so, als ob alles gut werden würde, wenn nichts passierte und alles bliebe, wie es ist.

Ein Blick von oben auf Teile des Wiener Stadtentwicklungsgebiets Sonnwendviertel: viel Grün mit Kletterpark. Schatten ist hier allerdings Mangelware.
Foto: Robert Newald

Gerade Städte mit einem kompakten gründerzeitlichen Baubestand müssen sich rasch und effizient an die Erhitzung des Klimas anpassen. Dazu ist jeder Baum zu hegen und zu pflegen und, wo immer möglich, Grün in die Stadt zu bringen. Das ist leider oft schwierig und komplex, manchmal aufgrund der örtlichen Gegebenheiten unmöglich, aber unverzichtbar. Wien hat entsprechende Initiativen dazu gestartet. So sollen etwa bis 2025 25.000 neue Stadtbäume gepflanzt werden, davon alleine 3000 Bäume an mindestens 500 neuen Standorten. Erste Erfolge kann man bereits sehen – mehr als 10.000 Bäume wurden in den letzten beiden Jahren gepflanzt.

Öffentlicher Freiraum

Einen wichtigen Beitrag zu einer klimafitten Stadt bilden die neuen Stadtentwicklungsgebiete. Im Gegensatz zu häufig kolportierten Vorurteilen ist dabei in den letzten Jahren der öffentlich nutzbare, städtische Grün- und Freiraum in Wien kontinuierlich gewachsen. So weisen allein fünf der größten aktuellen Stadtentwicklungsgebiete in Wien – Aspern Seestadt, Nordbahnhof, Sonnwendviertel, Aspangbahnhof und Nordwestbahnhof – Grünräume und Freiräume von insgesamt über 100 Hektar auf. Das entspricht etwa der Fläche des achten Wiener Gemeindebezirks oder fast dem Ausmaß von Kurpark Oberlaa und Donaupark gemeinsam. Die Parks und Freiflächen in diesen neuen Stadtteilen sind zusätzliche, öffentlich nutzbare Grünräume, wo vorher überwiegend unzugängliche Industriebrachen oder versiegelte Flächen anzutreffen waren. Alleine am Nordwestbahnhof wird mit der Grünen Mitte ein hochwertiger Park geschaffen, der mit zehn Hektar ein Viertel der Gesamtfläche des Areals ausmacht und so wie die Grünflächen in den anderen Gebieten selbstverständlich auch für alle Bewohnerinnen und Bewohner aus der Umgebung gedacht ist!

Extrem sparsam?

Die globale Klimakrise ist ohne Zweifel die größte Herausforderung, der wir uns im 21. Jahrhundert stellen müssen. Die Auswirkungen spüren wir längst. Kompakte, urbane Siedlungsformen können einen wichtigen Lösungsbeitrag in der Klimakrise liefern, da Städte extrem sparsam mit den Ressourcen Energie und Boden umgehen. So ist das Bundesland Wien mit rund 100 Quadratmeter Siedlungs- und Verkehrsfläche pro Kopf Bodenschutzstaatsmeister – Tendenz fallend. So wird Landwirtschaft und Natur für Biodiversität im Umland gesichert. Die urban lebenden Wienerinnen und Wiener verbrauchen auch am wenigsten Primärenergie unter den Bundesländern, und der Verbrauch ist mit 26 Prozent zwischen 2005 und 2020 zusätzlich am stärksten gesunken.

Kompakte Siedlungsformen ermöglichen umweltfreundliche Mobilität. So ist der Autobesitz in den letzten 30 Jahren kontinuierlich gesunken. Vergessen wir nicht, Wien ist seit dem Fall des Eisernen Vorhangs – dem einschneidenden Wendepunkt in der jüngeren Stadtgeschichte Wiens – um mehr als 400.000 Menschen gewachsen. Für das Klima macht es einen Riesenunterschied, ob so ein Wachstumsschub nach dem urbanen, ressourcenschonenden Modell oder nach einem suburbanen Modell mit entsprechendem Landverbrauch und Mobilitätsverhalten organisiert ist. Daher steht fest: Stadt ist die Lösung und sicher nicht das Problem. (Thomas Madreiter, 30.8.2022)