Joanne K. Rowling äußert sich eher kritisch zu Genderfragen.

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Sie hat sich das Spiel Quidditch und das Gleis 9 ¾ ausgedacht, und der Zauberschüler Harry Potter hat Joanne K. Rowling zur Heldin einer Generation gemacht. In den vergangenen Jahren erntete die Autorin aber jedes Mal Stunk, wenn sie unter dem Pseudonym Robert Galbraith einen neuen Krimi vorlegte. So viel Vorstellungskraft Rowling im Reich der Magie und Morde nämlich beweist, so konservativ scheint vielen ihr Geschlechterbild. Seit sie begann, in den sozialen Netzwerken Bezeichnungen wie "Menschen mit Uterus" zu bespötteln und als "entmenschlichend" für Frauen zu bekritteln, attestieren ihr Exfans und Aktivisten Transphobie.

Vergangene Woche ist der fünfte Krimi rund um die Ermittler Cormoran Strike und Robin Ellacott auf Englisch erschienen, am Mittwoch folgte die deutsche Fassung Das tiefschwarze Herz. Auch aus diesen 1360 Seiten springt Rowlings Kritikern eine transphobe Gesinnung der Autorin ins Gesicht. In Böses Blut (2020) gab dazu etwa ein Mörder Anlass, der sich seinen Opfern in Damenmantel und Frauenperücke näherte.

Es wurde schon zum Boykott Rowlings aufgerufen und gab Morddrohungen. Von manchen wird ihr vorgeworfen, eine Terf zu sein: eine radikale Feministin, die Transfrauen nicht als Frauen akzeptiert.

Ein Wurm als Startrampe

Dagegen verwehrt Rowling sich. Man kann aber sagen, dass Spielereien mit Transaspekten in diesen Büchern relativ oft vor- und diese dabei nicht gut wegkommen. Diesmal wird beklagt, der Krimi handle von einer transphoben Comicautorin: Edie Ledwell hat eine Serie kreiert, die auf Youtube läuft, eine der Figuren ist ein Wurm. Dessen biologisch korrekte Kategorisierung als Zwitter dient Rowling quasi als Startrampe.

Tatsächlich kommt das Wörtchen "trans" im Buch nur dreimal vor: Äußerungen des Wurms werden von Postern als "transphob" beurteilt, ihretwegen hätten sich "nichtbinäre Kids" beschwert. Ein Nebensatz informiert zudem, dass einer Tierrechtlerin "das Misgendern einer prominenten Transfrau in einer Reihe privater Textnachrichten vorgeworfen" wurde. Man registriert ein "Quiz über den Begriff ‚cisgender‘", und ein Blogger namens Pen of Justice kritisiert nebst anderen Äußerungen die "Verunglimpfung von genderfluiden Menschen". Man könnte meinen, Rowling habe aus bisherigen Querelen um ihre Äußerungen ihre Lehren gezogen und liefere Transphobie-Kritik zum Ausgleich diesmal eben mit.

Die Motive des Bloggers (mit dem plakativ selbstgerechten Namen) werden von der Autorin aber zugleich diskreditiert, indem sie einerseits nahelegt, dass es ihm um Rache an den Machern der Serie geht. Andererseits ist er pädophil. Ihm obliegt es obendrein, wohl selbstgefällig zu verlautbaren, "Cancel-Culture" sei "ein wirksames Instrument für gesellschaftliche Veränderungen".

Trans als virulentes Thema

Transsexualität ist trotz all dieser Passagen nicht wichtig für den Plot. Die Bösen in Das tiefschwarze Herz sind rechte, homophobe, misogyne Rassisten. Einsame, denen das Internet eine Art Zuflucht gibt. Rowling scheint es trotzdem wichtig, das Thema "trans" unterzubringen.

Warum? 2020 erklärte sie im Blog auf ihrer Website, sie habe sich viel damit befasst, weil es Teil der Welt sei, in der sich ihre junge Ermittlerin als Frau der Gegenwart bewege. Zugleich fand Rowling die Lage für Frauen damals schwieriger, als sie es je zuvor erlebt hatte. Früher selbst ein Gewaltopfer, argumentierte Rowling, wolle sie verhindern, dass als Frauen geborene Frauen unter Männern leiden, die sich als Frauen ausgeben, um sich Zutritt zu WCs zu verschaffen. Leichter Zugang zur Selbstdeklarierung als anderes Geschlecht und zu angleichenden OPs könnten Homosexuellen und Frauen zudem schaden (falsche Motive, spätere Reue).

Wenn sich Fans im Buch gegen Edie wenden, meint man, Rowling spiegle darin ihre eigene Situation. Jede autobiografische Deutung lehnt sie aber explizit ab. Es liegt vielleicht nahe, dass dieser Wirbel um eine Autorin tobt, die zwecks Anonymität unter männlichem Namen zu veröffentlichen begann: bereit, Geschlecht als reines Täuschungsmanöver einzusetzen. (Michael Wurmitzer, 8.9.2022)