Kohlmeisen zeigten im Test, dass sie besser riechen können als gedacht.
Foto: Vetmed Wien

Dass viele Vögel scharfäugig sind, ist gut nachvollziehbar – aber dass sie auch ohne offensichtliche Ohren und Nasen gut hören und riechen können, gehört zu ihren besser versteckten Talenten. Gerade in Sachen Geruchssinn wurden sie bisher unterschätzt, wie die aktuelle Arbeit eines Wiener Forschungsteams im Fachjournal "Frontiers in Ecology and Evolution" zeigt: Singvögel wie Kohlmeisen nutzen ihn, um Futter aufzuspüren und sich in vertrauter Umgebung zurechtzufinden.

Am oberen Ansatz des Schnabels sind bei einigen Arten "Nasenlöcher" zu erkennen, durch die Luft in den Körper gelangt. Wenn sie diesen Weg nimmt – anstelle der Route durch den offenen Schnabel –, dann dürften Gerüche ähnlich wie bei Säugetieren von Nerven registriert werden. Diese wiederum leiten die Reize an das Gehirn weiter. Bei Aasvögeln, deren Nahrung olfaktorisch hervorsticht, ist der Geruchssinn besonders ausgeprägt.

Kürzerer Rückweg

Für die aktuelle Studie beschäftigte sich die Gruppe um Katharina Mahr vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien allerdings nicht mit Aas-, sondern mit Singvögeln. Sie überprüfte, ob Kohlmeisen (Parus major) Gerüche aus der Umwelt nutzen, um zu Futterstellen zurückzufinden. Dazu wurden einige Vögel gefangen und bei der Hälfte der Tiere der Geruchssinn kurzfristig mittels Zinksulfat gedämpft. Danach wurde ein Teil der Vögel in unmittelbarer Nähe des Futters, ein anderer Teil in 1,5 Kilometern Entfernung ausgelassen.

Alle Kohlmeisen fanden zu den Futterstellen zurück, was für die Forschungsgruppe keine Überraschung darstellte, wurden die Tiere doch bewusst innerhalb ihrer vertrauten Umgebung ausgelassen. Allerdings benötigten Vögel mit vermindertem Geruchssinn deutlich mehr Zeit, um zurückzukehren, speziell jene Tiere, die in größerer Entfernung ausgesetzt wurden.

Optimierung im Winter

"Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Gerüche in einer vertrauten Umgebung trotz visueller Anhaltspunkte als wichtige Informationsquelle zur Orientierung dienen", erklärt Mahr in einer Aussendung. Insbesondere für Arten wie Kohlmeisen könnte die Navigation mittels Geruchs helfen, die Nahrungssuche in Zeiten mit wenig Futterangebot wie im Winter zu optimieren.

Ähnliche Ergebnisse wurden den Forschenden zufolge bereits bei Zugvögeln erlangt. Trotz solider Beweise für die Bedeutung des Geruchssinns – etwa bei Nahrungssuche oder Paarung der Vögel – bleibt es den Fachleuten zufolge aber umstritten, ob Vögel die in der Luft enthaltenen chemischen Verbindungen auch zur Orientierung nützen. Doch immerhin haben viele Vögel auch andere Methoden, die ihnen dabei helfen – von der Magnetfeld-Wahrnehmung über den Tagesrhythmus anhand des Sonnenstands bis hin zu den Sternenkonstellationen. (red, APA, 9.9.2022)