Die Monarchie darf keine Pause machen, ein Thron von Gottes Gnaden nie unbesetzt sein. Schon Stunden nach dem Tod von Queen Elizabeth II schworen neue Kanadierinnen und Kanadier am Freitag bei Einbürgerungszeremonien "sa majesté le roi Charles III" die Treue. Der König ließ sich mit der ersten Ansprache an seine Untertanen bis Freitagabend Zeit. Zu groß ist vorerst die Trauer um den Tod seiner Mutter und Vorgängerin. Dass jene auch überzeugte Republikaner erfasst, mag Nostalgie und Gram um die vergangene Zeit geschuldet sein – aber es liegt gewiss auch an ihrer Amtsführung.

Die verstorbene Queen Elizabeth II mit ihrem Sohn und und Nachfolger Charles III 2019 in London.
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Elizabeth II ist es gelungen, die vielen Widersprüche, die eine Monarchie mit modernen, gleichberechtigten Gesellschaften ihrem Grundsatz nach bildet, zu überdecken. Die einstige Herrscherin über Kolonien, die im noch britischen Kenia vom Tod ihres Vaters und dem eigenen Aufstieg auf den Thron erfuhr, wurde zu einem Symbol der Einheit für ein zunehmend diverses Großbritannien – auch wenn das in den Ex-Kolonien oft sehr anders gesehen wird. Der Frau, die ihre Zeit zwischen Palästen aufteilte, Corgis züchtete und jeden Tag einen neuen Hut wählte, warf kaum jemand Extravaganz vor – auch wenn sie von zunehmend bedrängten Steuerzahlern finanziert werden musste. Selbst bei den vielen Skandalen zu Hofe gelang es ihr zumindest in der letzten Lebenshälfte, als ordnende Kraft zu wirken – nicht aber als Teilnehmerin.

Die Nostalgie der "guten Zeiten" unter der Queen hat bereits begonnen. Charles III stehen raue Monate bevor. Premierministerin Liz Truss, die Elizabeth als Akt der letzten Pflichterfüllung am Dienstag noch ernannte, steht in den kommenden Wochen vor einer Mammutaufgabe. Die Inflation greift auf der Insel noch stärker um sich als in Europa, Streiks werden wohl das Land stillstehen lassen, die Folgen des Brexits sich nicht ewig auf das böse Brüssel verschieben lassen. Der neue König wird es schwerhaben, im gleichen Maß wie seine Mutter mit den "guten Zeiten" assoziiert zu werden.

Einigungssymbol

Und bei allem Brimborium, das um seine Krönung gemacht werden wird: Taugt Charles gleichermaßen wie seine Mutter als Einigungssymbol? Das ist nicht nur eine intern britische Frage. Schon unter Elizabeth II wurden zuletzt wieder die Bruchlinien im Weltreich der Windsors deutlich. Im November 2021 machte sich Barbados zur Republik, weitere der zunehmend selbstbewussten Inseln in der Karibik werden vermutlich folgen. Das gilt auch für die großen Länder am anderen Ende der Welt. Die australische Freude an den Royals ist groß. Aber nicht ungeteilt. Schon jetzt werden wieder Rufe nach der Republik laut.

Ganz zu schweigen von den Zentrifugalkräften auf der eigenen Insel. Schottland will schon bald wieder über die Unabhängigkeit abstimmen. Queen Elizabeths vermutete Ablehnung der Idee wog beim letzten Mal schwer – tut das auch jene des neuen Königs? Und werden die Meriten, die sich seine Mutter um die nordirische Aussöhnung verdient hat, auch für den Sohn gelten?

Charles hat es in der Hand, selbst zu einer Einigungsfigur zu werden – nicht aus Tradition und schon gar nicht von Gottes Gnaden, aber vielleicht mit etwas Glück und sicher mit harter Arbeit. An ihm allein aber liegt es nicht. Die britische Regierung muss Ergebnisse liefern – sonst geht den Untertanen vielleicht bald die Geduld mit dem Souverän aus. (Manuel Escher, 10.9.2022)