Das Sonnwendviertel war Teil der Studie. Vorgaben der Politik etwa in Sachen Erdgeschoßnutzung wünscht sich die AK viel öfter.

Foto: Putschögl

Wer schon einmal im Wiener Sonnwendviertel die Bloch-Bauer-Promenade entlanggegangen ist, wird die qualitativen Unterschiede in der Bespielung der Erdgeschoße vielleicht bemerkt haben. Vom Hauptbahnhof kommend, präsentieren sich die Sockelzonen der Häuser zunächst relativ wenig einladend, manche geradezu abweisend, verschlossen. Erst ungefähr ab der Mitte, mit den dortigen Quartiers- und Baugruppenhäusern, sorgen kleinteilige Strukturen für ein abwechslungsreiches Programm, das einer Fußgängerzone würdig ist.

Zwei oder drei Zimmer

Diese höchst unterschiedlichen städtebaulichen Qualitäten im Erdgeschoß waren eines der Kriterien, anhand derer das Beratungsunternehmen Wohnbund Consult in einer Studie für die Arbeiterkammer die Qualität des freifinanzierten Wiener Wohnbaus analysiert hat. Dabei wurde das Sonnwendviertel mit Neubauten im gründerzeitlichen westlichen Wien sowie mit über ganz Wien verstreuten Anlegerprojekten verglichen. Insgesamt analysierte man Wohnprojekte mit rund 3000 Wohneinheiten.

Die Ergebnisse fielen durchaus ernüchternd aus. Denn so wie bei den Erdgeschoßen gebe es auch bei den Wohnungsgrundrissen im freifinanzierten Segment wenig Vielfalt und wenig Flexibilität, sagte Ernst Gruber, neben Margarete Huber und Raimund Gutmann Autor der Studie. "Grundsätzlich gibt es eine große Ähnlichkeit der Grundrisse, mit Ausnahme des Luxussegments." Der Fokus liege dabei ganz klar auf Zwei- und Dreizimmerwohnungen; von allen untersuchten Projekten hatten 65 Prozent zwei Zimmer, 26 Prozent drei Zimmer. Nur fünf Prozent wiesen vier Zimmer auf. Dies, obwohl in der Bewerbung der freifinanzierten Projekte sehr häufig mit Bildern von glücklichen Familien geworben werde, wie die Studienautoren feststellten. "Die Hälfte der verwendeten Fotos zeigt Familien bzw. Kinder."

Eintöniges Wohnungsangebot

Keine einzige der untersuchten Wohnungen war "für speziellere Ansprüche wie betreutes bzw. betreubares Wohnen" gedacht, und es wurde auch keine Wohneinheit entdeckt, die sich für eine WG geeignet hätte. Grundsätzlich also ein kaum durchmischtes Wohnangebot, wie es sich etwa im geförderten Wohnbau in der Regel findet.

Da ist es kein Wunder, dass sich die "Bewerbung" freifinanziert errichteter Wohnungen in erster Linie an Käuferinnen und Käufer richtet – also auch Anleger. "In 82 Prozent der analysierten Anzeigen wurden Käufer:innen adressiert", heißt es in der Studie, in 20 Prozent davon auch dezidiert Anlegerinnen und Anleger. Zu zwölf Prozent waren Mieterinnen und Mieter im Fokus, zu sechs Prozent Investoren.

"Maximale Ausnutzung"

Was auch auffiel: Beworben wurden die Projekte meist mit der guten Lage und der guten Umgebungsqualität, wobei Gruber bei der Präsentation der Studie kritisierte, dass die Projekte zu Letzterer "kaum was beitragen" würden. Denn die Erdgeschoßzonen seien eben sehr häufig lieblos gestaltet. Wenn es im freifinanzierten Segment überhaupt Gewerbeflächen im Erdgeschoß gab – was bei den untersuchten Wohnprojekten nur zu einem Drittel der Fall war –, dann seien diese bevorzugt an große Einzelhändler vermietet, etwa Supermärkte.

"Luxus im Preis, Mittelmaß in der Qualität", so lautete das Urteil von Mara Verlic von der Abteilung Kommunal & Wohnen in der Arbeiterkammer. Sie sah die "maximale Raumausnutzung" und die Verwertbarkeit klar im Fokus der Entwickler, die Bewohnerinnen und Bewohner hingegen hätten oft nur kleine Freiflächen zur Verfügung, manchmal seien die Gangflächen sogar unbelichtet (ohne natürliches Licht).

Architektonische Qualität als Stiefkind

Generell erachten es auch die Studienautoren als problematisch, dass die architektonische Qualität bei den Käuferinnen und Käufern der vergangenen Jahre – wozu eben auch viele Anlegerinnen und Anleger zählten – wenig bis gar keine Rolle spielte. Das werde sich wohl auch nicht ändern, solange die Nachfrage hoch bleibe, sagte ein für die Studie befragter Bauträger, der namentlich nicht genannt wird. Eine Qualitätskontrolle, wie es sie im geförderten Wohnbau durch die Bauträgerwettbewerbe schon lange gibt und wie sie nun auch im freifinanzierten Wohnbau gerade eingeführt wird (zumindest bei Stadtentwicklungsprojekten, in Form eines Qualitätsbeirats), schraube die Qualität jedenfalls nach oben, das könne man ganz klar anhand der Studie erkennen.

Was man dem freifinanzierten Wohnbau aber immerhin auch attestierte: "hoher Ausstattungsgrad und gute ökologische Standards".

AK fordert transparente städtebauliche Verträge

Dennoch folgte Kritik an der Studie von der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) umgehend: Gerade durch die "besonders klug geschnittenen" Wohnungen könnten eben die Quadratmeterpreise gering gehalten werden, schrieb VÖPE-Geschäftsführer Sebastian Beiglböck in einer Aussendung. Zu einer hohen städtebaulichen und freiräumlichen Qualität bekenne man sich, deshalb sei man auch in Qualitätsbeiräten der Stadt Wien vertreten.

Die Empfehlungen, die AK-Abteilungsleiter Thomas Ritt aussprach, richten sich aber auch in erster Linie an die Politik. Er forderte mehr Qualitätsvorgaben zu Erdgeschoßnutzungen, zu Grundrissen und zum Wohnungsmix. Städtebauliche Verträge, wie sie die Stadt seit 2015 anwendet, seien eine gute Sache, "aber da fehlt es an Mindestkriterien", und außerdem müssten diese Verträge seiner Ansicht nach auch transparenter werden.

Bauordnungs-Enquete im November

Die Gelegenheit, das alles zu thematisieren, gibt es bald: Anfang November findet eine zweitägige Fachenquete im Rathaus statt. Grund dafür ist die anstehende Novelle der Wiener Bauordnung im Jahr 2023. (Martin Putschögl, 25.9.2022)