Der verbrauchte Strom könnte auch aus grünen Energiequellen stammen.

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Moderne Technologie macht unser Leben in vielerlei Hinsicht angenehmer – doch sie verbraucht auch Strom und trägt somit negativ zum Klimawandel bei. So verbraucht die gesamte digitale Kommunikationstechnologie, vom Endgerät bis zum Datenzentrum, rund fünf Prozent des weltweit produzierten Stroms und trägt zwei bis drei Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Hinzu kommt aber, dass sie die Basis für weitere, energiehungrige Nutzungsformen schafft – Stichwort: Bitcoin-Mining. Allerdings schlägt das Pendel auch in die andere Richtung, wie Charlie Wilson, Professor am Environmental Change Institute (ECI) der Universität Oxford, im Rahmen des A1 Digital Life Summit gegenüber dem STANDARD erläutert.

Spiel der Kräfte

Zu beachten sei dabei unter anderem, dass Informations- und Kommunikationstechnologie Energie fast ausschließlich in Form von elektrischem Strom beansprucht. Und dieser kann – etwa im Gegensatz zum Energieverbrauch in Gebäuden oder in der Logistik – leicht auf erneuerbare Energien umgestellt werden.

Oxford-Professor Charlie Wilson im Gespräch mit dem STANDARD: "Effizienz gleicht steigende Nachfrage aus."
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Zugleich zeichnen sich laut Wilson zwei Entwicklungen ab, die einander gegenüberstehen: Einerseits steigt der Datenverkehrt weltweit an, andererseits wird die Energie immer effizienter genutzt. Nach aktuellem Stand balancieren diese beiden Faktoren einander aus, der Stromverbrauch in der Branche steigt also weder stark an, noch sinkt er.

Aus diesem Status-quo ergeben sich laut Wilson drei essenzielle Fragen: Wie lange werden die beiden Antipoden einander ausgleichen? Wird eine der beiden Entwicklungen irgendwann den Status der Sättigung erreichen? Und wie schnell kann das gesamte System auf Erneuerbare umgestellt werden?

Grüner Wechsel oder Greenwashing?

Für die kommenden zehn Jahre, so Wilson, sind nach aktuellem Wissensstand genug Effizienzsteigerungen möglich, um das Wachstum in der Branche auszubalancieren. Demnach würde trotz exponenziellen Wachstums in der Digitalisierung der Ausstoß von Treibhausgasen nicht merklich steigen.

Dennoch liege Potenzial darin, auf erneuerbare Energien umzusteigen. Das passiert schon jetzt, diverse große Tech-Konzerne drehen in ihren Serverfarmen an der Effizienzschraube oder stellen auf grüne Stromquellen um. Eine Form von Greenwashing? Das glaubt Wilson nicht. Denn die Unternehmen verfolgen bei dieser Strategie auch ein Eigeninteresse: Erstens spiegelt sich ein hoher Stromverbrauch auch in höheren Kosten wider. Zweitens rüsten sich die Unternehmen dadurch für ein zukünftiges Szenario, in dem ihr Energieverbrauch von der Politik stärker reguliert wird.

Neue CO2-Schleudern

Ein anderes Thema ist, dass die Digitalisierung auch neue Möglichkeiten schafft, ordentlich Energie zu verschwenden: Die Bandbreite reicht hier vom eingangs erwähnten Bitcoin-Mining über Online-Gaming bis zur smarten Zahnbürste, die im Gegensatz zum analogen Produkt ebenfalls Strom verbraucht. "Die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts ist, dass die Menschheit immer wieder neue Wege gefunden hat, um unser Leben angenehmer zu gestalten, allerdings mit enormen Kosten für den Planeten", sagt Wilson.

Auch hier sieht er aber die zuvor erwähnten Faktoren: Die Verbesserung der Effizienz in Hardware und Software sowie das Potenzial zum Umstieg auf erneuerbare Energien. Im Endeffekt gehe es in dieser Fragestellung aber um das Zusammenspiel eines Mixes aus drei Parteien: die Konsumenten, die Unternehmen und die Politik.

In den kommenden 30 Jahren könnten die globalen Emissionen fallen, sagt Wilson.
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Gerade in der Politik sieht er aktuell jedoch noch Handlungsbedarf. Denn zwar gebe es politische Initiativen zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes auf der einen Seite und auf der anderen Seite Bestrebungen zur Regulierungen des IT-Sektors in puncto Marktmacht, digitaler Inklusion und Datenschutz – kaum sichtbar seien aber Bestrebungen, den Energieverbrauch der IT-Branche zu regulieren. Früher oder später werde diese Regulierung aber kommen. Weshalb die Unternehmen eben gut beraten seien, schon jetzt die richtigen Schritte zu setzen.

Die Digitalisierung als Koordinator

In Summe, so der Experte, werden die Emissionen in den kommenden 30 Jahren fallen, während sie in den vergangenen 150 Jahren stetig angestiegen sind. Woher dieser Optimismus? Weil sich viele Staaten das Ziel gesetzt haben, klimafreundliche Initiativen zu setzen und auf erneuerbare Energien umzusteigen, so Wilson.

Eine Herausforderung dabei ist aber, Produktion und Verbrauch dieser Energie zu koordinieren, wenn etwa E-Autos zum richtigen Zeitpunkt geladen und die Outputs von PV-Anlagen auf Hausdächern gespeichert werden sollen. "Das kann nur mit dem Echtzeit-Flow von Information gelingen", sagt Wilson: "Und dafür braucht es digitale Netzwerke."

Ähnlich könne durch Digitalisierung die Effizienz im Transportsystem erhöht werden, indem etwa nicht mehr jeweils eine Person in einem Auto sitzt, sondern Shuttles in den Städten fahren, die als eine Mischung aus Taxi und Bus fungieren: Damit wären neben den Umwelt- auch die Parkplatz- und Stauprobleme in Städten gelöst. Auch hier kann eine digitale Plattform der kritische Faktor sein, um das System zu ermöglichen. Und auch in Wohngebäuden könnten Smart-Home-Steuerungen genutzt werden, um zum Beispiel das Heizen zu optimieren: Wilson zitiert Studien, laut denen Smart-Home-Steuerungen den Energieverbrauch um zehn Prozent senken können, ohne dass es Einbußen in der Lebensqualität gibt.

In Summe, so der Oxford-Professor, können Optimierungen auf Basis von Digitalisierung die globalen Treibhausgasemissionen um 50 bis 75 Prozent senken. Diese Einschätzung sei aber "nicht deterministisch", sondern ein Best-Case-Szenario. (Stefan Mey, 29.9.2022)