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Es war ein düsteres Bild, das die Wiener Pflichtschullehrergewerkschaft unlängst zeichnete: Wien fehlen auch sechs Wochen nach Schulstart immer noch Lehrkräfte – in Summe sind es laut Bildungsdirektion noch 280 Pädagogen. Und das hat zur Folge, dass Klassen ohne fixe Lehrer dastehen, Direktorinnen einspringen müssen und die Ganztagesschule an manchen Standorten nur noch im Notbetrieb läuft. In vielen Fällen schaffte es aber auch die Bildungsdirektion nicht zeitgerecht, wartendes Lehrpersonal einzustellen. Vor einer Woche harrten noch 25 Pädagoginnen und Pädagogen einer Zuweisung. DER STANDARD berichtete.

Zwar gestaltet sich der Schulstart in Wien offenbar chaotischer als anderswo. Allerdings hat der Lehrermangel – sei es im Elementar-, Primar- oder Sekundarbereich – ganz Österreich fest im Griff. Um diesem entgegentreten zu können, haben am Donnerstag Wiens Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos), Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und Vorarlbergs Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) ein Zehn-Punkte-Paket vorgestellt – und den Bund zum "Schulterschluss" aufgerufen.

Erleichterungen für Neo-Volksschullehrer

Einer der wichtigsten Punkte ist dabei der Quereinstieg. Einerseits wurde dieser bereits im Sommer für mittlere und höhere Schulen erleichtert, "aber nicht dort, wo es den ärgsten Mangel gibt, nämlich an den Volksschulen", sagt Wiederkehr. Ebenfalls betroffen sind die Kindergärten. "Uns fehlen Elementarpädagoginnen. Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze und mehr Möglichkeiten für verwandte Berufe, in die Kinderbetreuung einsteigen zu können", schildert Schöbi-Fink die Situation in Vorarlberg.

Was das in der Praxis hieße: Auch nicht ausgebildete Elementarpädagogen, die aber aus verwandten Berufen kommen, dürften demnach Gruppen leiten. Kaiser verweist hier auf die Hortpädagogen, für die Gleiches gelte. So soll die Absolvierung von "artverwandten" Studien etwa im Bereich Sozialpädagogik oder Pädagogik den Einstieg in den Beruf ermöglichen.

Doch kann das den Beruf attraktiver machen? Es müsste jedenfalls das Image der Berufe aufgewertet werden, sagt Wiederkehr. Er sieht den Bund hier am Zug, denn nur mittels großangelegter Kampagne könne auch die Anerkennung gesteigert werden. Laut Angaben des Bildungsministeriums ist eine solche für Herbst geplant.

Sonderpädagogik im Zentrum

Dringend Handlungsbedarf sehen die drei Länder auch bei der Deckelung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs (SPF): Seit 1992 ist im Finanzausgleich festgelegt, dass maximal 2,7 Prozent der Pflichtschulkinder mit Behinderung und speziellem Förderbedarf zusätzliche Ressourcen vom Bund erhalten. In der Praxis hätten aber bereits vier Prozent einen derartigen Förderbedarf. Die Kosten für zusätzliches Personal müssten die Länder folglich selbst tragen, sagt Wiederkehr, der ein Ende des Deckels fordert. In diesem Kontext verweist der Bildungsstadtrat außerdem auf die Bewilligung des elften und zwölften Schuljahres für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf – für die es bislang keine zusätzlichen Ressourcen gibt.

Dass Bildungsminister Martin Polaschek eine Verkürzung des Bachelorstudiums für Volksschullehrer von vier auf drei Jahre prüfen will, stößt bei Schöbi-Fink auf viel Zuspruch. "Wir stehen in Konkurrenz mit anderen Studiengängen, in denen der Bachelor auch nur drei Jahre dauert." Für die westlichen Bundesländer komme außerdem dazu, dass die Ausbildung in den angrenzenden deutschsprachigen Ländern ebenfalls nach drei Jahren endet. Dass es viele Lehrerinnen in die anliegende Schweiz zieht, dürfte allerdings auch am Gehalt liegen.

Entlastung für Bildungsdirektionen

Um Situationen wie lange Wartezeiten für Neolehrer und schleppende Zuweisungen künftig zu vermeiden, sollten laut den Ländern Koordinierungsstellen in den Bildungsdirektionen des Landes geschaffen werden. Diese könnten das Lehrer-Recruiting – nach dem Vorbild Vorarlbergs, wo es eine solche mit dem "Arbeitsplatz Schule" bereits gibt – professionalisieren. Eine solche Maßnahme würde vielen Lehrerinnen jedenfalls Nerven und Zeit ersparen. (Elisa Tomaselli, 14.10.2022)