Der Boom beim Wohnungskauf ist zuletzt deutlich abgeflacht. Gestiegene Lebenskosten, hohe Unsicherheit und strengere Kredit-Vergaberichtlinien drücken die Stimmung der Käufer.

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Am heimischen Immobilienmarkt zeichnet sich eine Trendwende ab. Zwar legten die Preise heuer zwischen Jänner und Juni im Schnitt nochmals um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie aus einer aktuellen Analyse des Immospezialisten Remax hervorgeht. Infolge der gestiegenen Zinsen und der strengeren Vorgaben für die Kreditvergabe seit dem Sommer kühlt sich der Markt nun aber ab.

Zur Erinnerung: Seit 1. August gelten die von der Finanzmarktaufsicht auferlegten strengeren Vorgaben für Immobilienkredite. Sie besagen, dass für den Kauf einer Immobilie 20 Prozent des Gesamtkostenaufwands in Form von Eigenkapital nachgewiesen werden muss, die monatliche Kreditrate höchstens 40 Prozent des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen und die Laufzeit der Finanzierung 35 Jahre nicht übersteigen darf.

"Spürbare Veränderung"

In den vergangenen Wochen habe sich der Immobilienmarkt "spürbar verändert", sagt Remax-Österreich-Chef Bernhard Reikersdorfer. Das betreffe auch die Eigentumswohnungen: "Während im ersten Halbjahr 2022 die Verbücherungszahlen und die Nachfrage weiterhin auf einem sehr hohen Niveau waren und die Preise nochmals deutlich angezogen haben, können sich aufgrund der steigenden Zinsen, der verschärften Kreditvergaberichtlinien, der steigenden Energie- und der höheren Lebenshaltungskosten so manche Interessenten, die sich noch vor wenigen Monaten eine Wohnung problemlos hätten kaufen können, dies in der derzeitigen Situation nicht mehr leisten", sagt der Immo-Manager.

"Die Party ist vorbei, weil der Cocktail nicht mehr schmeckt", fasst Franz Gasselsberger, Chef der Oberbank, die Lage zusammen. Vor allem der Markt für das Segment von Wohnungen in der Preisklasse von 400.000 bis 700.000 Euro sei komplett zusammengebrochen. Das, weil sich die Leute im aktuellen Umfeld nicht mehr investieren trauten. Das Leben sei aktuell von Unsicherheiten geprägt: Neben den gestiegenen Kosten wiege auch die Unsicherheit wegen des Ukraine-Kriegs, der atomaren Bedrohung oder der Blackout-Gefahr schwer. Das sei kein Umfeld, in dem Menschen ein Risiko eingehen wollten.

Niederösterreich entlastet

Das Land Niederösterreich plant nun Erleichterungen bei Immobilienkrediten. Vorgesehen sind eine Haftungsübernahme und die Verlängerung der Laufzeit von Landesdarlehen. Das hat Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) angekündigt. Konkret sieht der Plan in Niederösterreich so aus: Von den 20 Prozent geforderten Eigenmittel wird das Land fünf Prozent als Haftung übernehmen, gedeckelt mit 30.000 Euro, was die notwendige Eigenmittelquote auf 15 Prozent reduziere. Die Laufzeit von Landesdarlehen werde von 27,5 auf 34,5 Jahre angehoben, damit sich die monatliche Belastung für die Kreditnehmer reduziere. Leistbares Eigentum sei laut Mikl-Leitner "ein Thema, das Kopfzerbrechen bereitet". Die Landeshauptfrau verwies neben der Teuerung und den steigenden Zinsen auch auf die gestiegenen Baukosten, weil Rohstofferhöhungen voll durchschlagen.

Der Rückgang bei Immobilienfinanzierungen schlägt auch auf die Banken durch, für die dieses Segment viele Jahre ein Wachstumsfaktor waren. Die Beratungsgesellschaft PwC rechnet – ebenso wie viele Kreditinstitute – mit deutlich weniger Abschlüssen im Neugeschäft. Besonders diejenigen, die Wohnimmobilien als Geldanlage erwerben, seien vorsichtiger geworden. Hinzu komme, dass viele Kreditnehmer Anschlussfinanzierungen für laufende Immo-Darlehen vorgezogen und schon im Frühjahr abgeschlossen haben, um sich noch niedrigere Zinsen zu sichern.

Deutlicher Rückgang

Auch in Österreich ist der Rückgang bei Immokrediten evident. Viele Banken haben die FMA-Regeln schon im Juli umgesetzt. Das Wohnbaukreditvolumen sank im Juli daraufhin um 25 Prozent auf 600 Mio. Euro. Im August sank die Vergabe um 50 Prozent auf 300 Mio. Euro.

Mit der sich abschwächenden Wirtschaft droht zudem eine Rezession. Steigt die Arbeitslosigkeit in der Folge wieder an, drohen auch Ausfälle im Kreditsegment. Für Banken könnte das zur Belastungsprobe werden. Private Immobiliendarlehen stellen laut "Handelsblatt" mit 43 Prozent den größten Anteil im Kreditbuch deutscher Geldhäuser.

Doch Gasselsberger beruhigt: Nach einer Schockstarre entspanne sich die Lage auch wieder. (Bettina Pfluger, 21.10.2022)