200 Euro Energiebonus können voraussichtlich ab Dezember Haushalte bis zu gewissen Einkommensgrenzen beantragen. Diese Grenzen kritisieren nun die Grünen.

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Die Verabschiedung von finanziellen Hilfen gegen die hohen Energiepreise ist, egal auf welcher politischen Ebene sie beschlossen werden, von einer Konstante begleitet: der Frage, ob und wie sie sozial gestaffelt werden. Diese Debatte hat nun die Wiener Landespolitik erreicht. Anstoß ist der sogenannte Energiebonus '22, den der Landtag am Mittwoch in Form eines Gesetzes beschlossen hat.

Dabei handelt es sich um eine Einmalzahlung von 200 Euro. Angekündigt worden war sie von Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) im Sommer als Reaktion auf die (damals noch drohende und mittlerweile Realität gewordene) Erhöhung der Fernwärmepreise. Erhalten sollen die Zahlung rund 650.000 Haushalte, die ein bestimmtes Jahresbruttoeinkommen nicht überschreiten. Für Einpersonenhaushalte liegt die Grenze bei 40.000 Euro, für Mehrpersonenhaushalte bei 100.000 Euro.

An der Wahl genau dieser Grenzen stoßen sich nun die Wiener Grünen. Denn dadurch würden bestimmte Einpersonenhaushalte benachteiligt, argumentieren sie. Konkret gehe es ihnen um Singlehaushalte mit einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 40.000 Euro, aber weniger als 50.000 Euro. So erhalte etwa ein Einpersonenhaushalt mit einem Einkommen von 45.000 Euro den Energiebonus nicht. Ein Zweipersonenhaushalt mit einem Einkommen von 90.000 Euro, also 45.000 Euro pro Person, aber schon, rechnen die Grünen vor.

Kritik an Initiativantrag

Das verstößt laut der Oppositionspartei gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung. Eine Ungleichbehandlung müsse demnach immer sachlich begründet sein – und das sei im konkreten Beispiel nicht der Fall. Immerhin würden die Energiekosten eines Zweipersonenhaushalts nicht doppelt so hoch sein wie jene eines Singlehaushalts. Nach Ansicht der Grünen können betroffene Wiener Singlehaushalte nun einen Individualantrag auf Normkontrolle beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) stellen – mit guten Aussichten auf Erfolg. Das Gesetz müsse daher repariert werden, es brauche eine stärkere Differenzierung der Einkommensgrenzen anhand der tatsächlichen Haushaltsgröße.

Für Gemeinderat Georg Prack ist die gegenwärtige Lösung ein "gleichheitswidriger Murks". Mitverantwortlich dafür sei der Pfad, den die Stadtregierung aus SPÖ und Neos für den Beschluss gewählt habe. "Die rot-pinke Koalition hat es mittlerweile zum Prinzip erhoben, Gesetzesvorhaben – vor allem aus dem Sozialbereich – per Initiativantrag einzubringen. Das bedeutet kein Begutachtungsverfahren, keine Chance, auf Fehler hinzuweisen, und keine Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge einzubringen", sagt Prack.

Jurist warnt vor zu vielen Hoffnungen

Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk sagt im Gespräch mit dem STANDARD zu den grünen Bedenken, dass er das Problem "durchaus" sehe. "Für die Betroffenen ist das ein Problem, das ist nicht zu bestreiten. Gerade in der angespannten Situation, in der wir uns befinden. Immerhin geht es um eine nicht gerade begüterte Schicht." Die Stadtregierung schaffe mit der beschlossenen Regelung "natürlich eine Unterscheidung", sagt Funk. "Darüber kann man schon diskutieren."

Seiner Einschätzung nach liegt allerdings keine "exzessive Ungleichbehandlung" vor. Und das sei die Voraussetzung dafür, um gegen die Regelung vorgehen zu können. "Die Gesetzgebung darf zwar nicht willkürlich agieren. Aber nach Judikaktur des VfGH hat sie trotzdem einen relativ weiten Beurteilungsspielraum." Man müsste daher mit dem Wecken von Hoffnungen vorsichtig sein, betont er.

Dazu kommen zwei weitere Aspekte, die ein rechtliches Vorgehen gegen Regelung erschweren. Erstens sehe das Energiebonus-Gesetz keinen Rechtsanspruch auf die Unterstützung vor, sagt Funk. Und zweitens agiere die Stadt Wien bei der Auszahlung der 200 Euro als Trägerin von Privatrechten. Das bringt mit sich, dass kein Bescheid ausgestellt werde – einen solchen brauche es aber für eine Anfechtung.

Vorwurf für Stadt "unzutreffend"

Für das städtische Finanzressort ist der Vorwurf der Ungleichbehandlung "unzutreffend". "Der Energiebonus '22 wurde ausführlich geprüft, dennoch galt es hier, eine rasche Umsetzung zu ermöglichen, um den Wienerinnen und Wienern rasch helfen zu können", teilt das Büro von Stadtrat Hanke mit. Der Rahmen für Mehrpersonenhaushalte sei bewusst höher gesetzt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass diese auch mehr als zwei Erwachsene sowie Kinder umfassen können.

Um den Energiebonus '22 muss übrigens angesucht werden, das ist voraussichtlich ab Dezember möglich. Im selben Monat soll die Unterstützung auch ausgezahlt werden. Wer bis 10. November einen Wiener Hauptwohnsitz hat, wird per Post von der Stadt über die genauen Modalitäten informiert. Keinen Anspruch auf die Zahlung haben Strafgefangene, Asylwerberinnen und Asylwerber allerdings schon – was die FPÖ in der Landtagssitzung heftig kritisierte. Beim Klimabonus des Bundes sind beide Gruppen anspruchsberechtigt, was zuletzt für heftige Debatten sorgte und letztlich den Rücktritt von Laura Sachslehner als ÖVP-Generalsekretärin provozierte. (Stefanie Rachbauer, 20.10.2022)