Kanzler Nehammer äußerte sich in der Nacht auf Freitag zu der Rede des Bundespräsidenten.

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Wien – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat kühl auf die Aufforderung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen reagiert, angesichts der ÖVP-Affäre eine "Generalsanierung des Vertrauens" in die Demokratie einzuleiten. Nehammer sagte in der Nacht auf Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel, dass er Van der Bellens Worte "sehr ernst" nehme, bezeichnete aber zugleich Teuerung und Inflation als "die echten Probleme der Menschen". Transparenz sei der ÖVP wichtig, versicherte er.

Van der Bellens Rede: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich angesichts der ÖVP-Affäre am Donnerstag an die Öffentlichkeit gewandt und von den politisch Verantwortlichen eine "Generalsanierung des Vertrauens" verlangt. Es müssten Maßnahmen gesetzt werden, um die volle Handlungsfähigkeit der politisch Verantwortlichen sicher zu stellen und um das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen.

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"Ja, ich nehme die Worte des Bundespräsidenten sehr ernst", sagte Nehammer. "Volle Aufklärung und Transparenz sind wichtig", betonte er mit Blick auf die Korruptionsaffäre rund um führende ehemalige und jetzige ÖVP-Politiker. Innerhalb der ÖVP habe man "schon vor längerer Zeit" damit begonnen, "dafür zu sorgen, dass wir schneller und leichter Transparenz walten lassen können". Er verwies zugleich auf die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen für mehr Transparenz und nannte konkret Medien- und Parteienfinanzierung. Es sei ein klares Gebot für die Partei, dass das Geld der Steuerzahlenden "ordentlich eingesetzt wird".

Van der Bellen hatte sich am Donnerstagnachmittag in der Präsidentschaftskanzlei an die Öffentlichkeit gewandt. Dabei bezeichnete er Korruption als "lähmendes Gift". Es müssten Maßnahmen gesetzt werden, um die volle Handlungsfähigkeit der politisch Verantwortlichen sicherzustellen und das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.

"Sichtbarer Wasserschaden"

Die an die Öffentlichkeit getropften Chats "haben sich zu einem sichtbaren Wasserschaden entwickelt", so Van der Bellen. Mittlerweile habe dieser Wasserschaden die Substanz des Gebäudes erreicht, der mit ein paar Farbtupfern nicht mehr zu beheben sei: "Das, was in den letzten Tagen zum Korruptionsthema wieder öffentlich wurde, ist kein kleiner Wasserfleck. Es ist ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer Demokratie geht."

Es brauche nun "eine Generalsanierung, eine Sanierung der Substanz", und es sei seine Pflicht sicherzustellen, dass das auch passiere, so der Bundespräsident, der damit wohl nicht zufällig an die Worte vom Trockenlegen saurer Wiesen des früheren Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger anspielte. (APA, red, 21.10.2022)