Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) war in der Steuersache Illwerke in regem Chat-Kontakt mit Thomas Schmid – obwohl er das Gegenteil behauptet hat.

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Es war eine langwierige und mühsame Geschichte und auch in dieser spielte Thomas Schmid eine zentrale Rolle: Es geht um die Steuersache "Illwerke" – und wie ein dem STANDARD vorliegender Aktenvermerk der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vom 11. Oktober 2022 nun zeigt, wandte sich in dieser Causa auch der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) vertrauensvoll an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid.

Das steht übrigens im Gegensatz zu Wallners bisheriger Behauptung, wonach er nie mit Thomas Schmid gechattet habe. Darauf hat die grüne Fraktionsführerin im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss, Nina Tomaselli, selbst aus Vorarlberg, am Samstag hingewiesen.

Wallner deponierte sein Anliegen in der Causa Illwerke laut WKStA-Vermerk bei Thomas Schmid per Chatnachricht vom 8. Juni 2018 in der Form:

"Servus! Lösung gefunden in der Steuersache? Gruß Markus Wallner"

Diese Nachricht bekam Schmid um 17:59:12 Uhr auf seinem Handy zu lesen. Dessen Antwort ging nur 42 Sekunden später an Wallner:

"Sind dabei!"

Wobei dabei? Zum Hintergrund: Der größte Vorarlberger Energieversorger wurde im Rahmen einer Großbetriebsprüfung der Finanzverwaltung unter die Lupe genommen, und zwar fünf Jahre lang, von 2012 bis 2017 – was nicht zuletzt deshalb so lang dauerte, weil es dabei zu massiven Interventionen kam. Im WKStA-Aktenvermerk ist die Rede von "auffälligen , Stockungen' im Verfahren". Eile war also geboten, weil bei der Prüfung dieses Abgabenverfahrens die "absolute Verjährung hinsichtlich des Prüfjahres 2007 drohte".

Neue Details aus der "Offenbarung" des Thomas Schmid

Das Thema "Illwerke" ist quasi ein "Beifang" der schriftlichen "Offenbarung" des Thomas Schmid– so wird sie in dem Aktenvermerk auch offiziell genannt, in der es um seine Anzeige "betr. Einflussnahme auf ,Steuersache BENKO'" ging. Er wurde dazu am 25. und 26. August 2022 als Beschuldigter vernommen. Ein beteiligter Prüfer im Benko-Fall war auch an der Großbetriebsprüfung der Illwerke beteiligt.

Dabei gab es ein besonders strittiges Thema, nämlich die steuerliche Einordnung des sogenannten Heimfallsrechts des Landes. Die Ill-Kraftwerke gehören nämlich dem Land, betrieben werden sie aber von den Illwerken. Gemäß Verträgen aus dem Jahr 1926 sollten die Kraftwerke dem Land Vorarlberg nach 80 Jahren "unentgeltlich übertragen" werden. Nach diversen Streitigkeiten verzichtete das Land auf dieses "Heimfallsrecht", dafür zahlen die Illwerke dem Land dafür jährlich eine Art Abschlagszahlung. Das machte zuletzt rund zehn Millionen fürs Landesbudget. So weit, so klar.

Wenn da nicht die steuerrechtliche Frage wäre: Die Illwerke meinten, diese Zahlungen von der Steuer absetzen zu dürfen. Die Großbetriebsprüfer der Finanz sahen das anders mit Verweis auf die hunderprozentige Eigentümerschaft des Landes, das ja aus dieser Beteiligung auch Dividenden erhalten hat. Nach Ansicht der Prüfer hätten die Illwerke also dutzende Millionen an Steuern nachzahlen müssen – an den Bund, bei dem die Steuerhoheit liegt.

Wallners "vitale Landesinteressen"

Das aber brachte – wie vom STANDARD berichtet – Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) auf den Interventionsplan. Und nach diversen STANDARD-Recherchen zum Fall Illwerke bestätigte Wallner zu Jahresbeginn 2022 auch, im Finanzministerium "vitale Landesinteressen" bezogen auf die "Eigenständigkeit der Vorarlberger Energiewirtschaft" vertreten zu haben. Sein Engagement sei offiziell erfolgt, er, Wallner, der auch ÖVP-Landesparteichef ist, sei als Eigentümervertreter tätig geworden.

Laut Aktenvermerk über eine interne Kommunikation im Finanzressort habe Wallner dort angerufen und wissen lassen: "Wenn keine Lösung bis April 2018 gefunden werden, werde das ,Ganze wohl auch medial begleitet werden'".

"Beide intervenieren bei Schmid"

Weiters schreibt die WKStA, dass "ab 10. April 2018 bis Ende Juli 2018" der steuerliche Vertreter der Illwerke von Deloitte und Landeshauptmann Wallner mit Schmid "kommunizierten". Konkret: "Beide intervenieren bei MMag. SCHMID für eine Lösung."

Wie das abgelaufen ist, zeigen die nun vorliegenden Chats. Daraus ist ersichtlich, dass es die Vorarlberger Seite gern etwas schneller erledigt gehabt hätte. Denn vier Tage nach seiner Anfrage bei Schmid meldete sich Wallner erneut per Chatnachricht. Am Morgen des 12. Juni 2018 setzte er um 7:52:36 Uhr folgende Botschaft ab:

"Hallo Thomas! Gibt es eine Lösung? Wir müssen jetzt die Medienarbeit vorbereiten. Gruß Markus."

Der Generalsekretär im Finanzministerium antwortete um 7:55:14 Uhr:

"Ich hoffe ja! Melde mich gleich."

Wallners Replik, 32 Sekunden später:

"Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Die Hoffnung auf eine Antwort von Thomas Schmid darauf beendete Landeshauptmann Wallner einen Tag später. Am 13. Juni 2018 tippte er um 8:08:40 Uhr Folgendes:

"Hallo Thomas! Habe dich gerade nicht erreicht... Vorschlag Betriebsprüfung geht nicht... heute AR, morgen Hauptversammlung mit Öffentlichkeitsarbeit. Informiere bitte den Minister. Gruß Markus"

AR bedeutet Aufsichtsratssitzung. Minister im Finanzressort war zum damaligen Zeitpunkt ÖVP-Mann Hartmut Löger.

Die Sache soll vom Tisch

Bis 26. Juni kommunizierte mit Schmid dann nur noch der Vertreter von Deloitte, den die Vorarlberger Landesregierung in der Causa beauftragt hatte. Dieser schrieb etwa am 22. Juni an den "lieben Thomas" Schmid, dass er ihn "Kanzlerfest nicht auf die IIIwerke ansprechen" wollte, aber gern ein Telefonat hätte, um die Sache "vom Tisch" zu bekommen" – "LH ist ja wie du weißt stark am Drücker..."

An besagtem 26. Juni 2018 meldete sich Schmid um 10:10:01 Uhr mit folgender Nachricht wieder bei Wallner:

"Lieber Markus, melde mich heute wegen illwerke. Sind gerade in Gesprächen mit dem Finanzamt. LG t"

Einen Tag später, am 27. Juni 2018 schrieb Wallner an Schmied:

"Bist erreichbar?"

Eine Antwort von Schmid kam neun Tage später am 6. Juli:

"Melde mich gleich."

Wallners Einwortantwort:

"Passt."

Am 9. Juli erhielt er ein Lebenszeichen von Schmid aus Ibiza:

"Lieber Markus. Ich rufe um 9.30 edi Müller an und melde mich gleich danach verlässlich bei dir. LG aus Ibiza. Thomas"

"Edi" alias Eduard Müller war damals stellvertretender Generalsekretär und Präsidialsektionschef im Finanzministerium – und rückte, nachdem die türkis-blaue Regierung von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor Ibiza versenkt worden war, von Juni 2019 bis Jänner 2020 Finanzminister in der interimistischen Beamtenregierung. Seit Februar 2020 ist er Vorstand der Finanzmarktaufsichtsbehörde.

Wallners Replik auf die Urlaubsnachricht Schmids:

"Danke. Wir hören uns. Gruß Markus"

Am 26. Juli wandte sich wieder der Deloitte-Vertreter an Schmid und schrieb neben Wünschen, dass der vielbeschäftigte Generalsekretär im Finanzministerium hoffentlich "zwischendurch auch mal ausschalten" könne:

"Lieber Thomas! Gibt es etwas Neues zur Beruhigung eines sehr westlichen LH?"

Und Schmid hatte gute Nachrichten über und für den "sehr westlichen LH":

"Läuft gut!! Alles im Griff! LH ist auch happy"

Freude auch beim Deloitte-Abgesandten:

"Wow! Klingt ja super!"

Der gleich noch eine Nachricht draufsetzte:

"Bitte höre gerade: das Jahr 2010 sollte nächste Woche noch geregelt werden (der Herr SC dürfte on track sein). Wichtig dass wir das auch noch ins Finale bringen, der LH ist glaube ich nur wirklich happy wenn sie heuer noch den Dividendenausfall nachholen können, da brauchen sie die AR Sitzung September- wir arbeiten gerade dran."

Schmid konnte auch da beruhigend wirken:

"Ja das haben wir aber über edi Müller eingehängt und über Macho! (red. Anm. der (damals noch interimistische) des Fachvorstands der Großbetriebsprüfung)"

Und ganz bescheiden fügt Thomas Schmid noch an:

"Denen gebührt das Lob"

Dem will der Deloitte-Mann nicht widersprechen.

"Sag ich ihnen sehr gerne! Das ist Orden- verdächtig!"

Thomas Schmid, der Mann, der gerne auch mit Emojis kommunizierte, beendete diesen Chat mit einem "Daumen nach oben" und dem angespannten Bizeps-Symbol.

Im WKStA-Aktenvermerk folgt dann die Erklärung, dass aus einer E-Mail vom 29. Augist 2019 des Vorstands des Finanzamts Feldkirch an den damaligen Sektionschef Müller hervorgehe, "dass die .,Bescheide li/werke[...] wohl zur Zufriedenheit aller zugestellt" seien.

Dann steht da nur noch: "Für den 12. November 2018 finde sich im Kalender von SC Dkfm MÜLLER ein Termin mit dem Betreff ,LH Wallner'".

Alle Steuerbescheide wurden aufgehoben

Der Aktenvermerk schließt etwas resigniert und mit einem verlinkten STANDARD-Bericht zur Causa: "Aus Medienberichten geht hervor, dass am Ende alle ,Steuerbescheide der Großbetriebsprüfung' – gemeint offensichtlich die Bescheide des Finanzamts auf Grundlage des Ergebnisses des Prüfberichts der GBP – aufgehoben worden seien (https://www.derstandard.at/story/2000135882197/steuerfall- illwerke-wallners-interventionen-und-verzweifelte-pruefer). (Anm. d. Red. der Link ist ein Originalzitat aus dem WKStA-Aktenvermerk)

Wallner sieht jedenfalls keine Verfehlung seinerseits. Zum ORF Vorarlberg sagte er: "Wie mehrfach erläutert, hatte ich im Zuge des Verfahrens mit mehreren Personen Kontakt – mit dem Sektionschef, dem Minister und auch mit dem Generalsekretär des Finanzministeriums. Diesem habe ich in meiner Rolle als Eigentümervertreter die Wichtigkeit und die weitreichende Bedeutung dieser ungeklärten Steuerfrage für Vorarlberg klar gemacht." Es handle sich nicht um eine Intervention, sondern um das legitime Vertreten von Landesinteressen. Das erkenne man an den SMS, so Wallner. Dieselbe Argumentation hatte der Landeschef auch im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss vorgebracht. (Lisa Nimmervoll, 22.10.2022)