Reagieren oder cool bleiben? Das hängt bei Katzen davon ab, wer wann wie zu ihnen spricht.
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Seit sich Katzen und Menschen vor rund 10.000 Jahren aneinander gewöhnten und gegenseitige Nähe suchten, sind die Vierbeiner beliebtes Beobachtungs- und Studienobjekt. Allein in diesem Jahr wurden mehrere Forschungsarbeiten veröffentlicht, die sich etwa damit beschäftigen, ob Menschen am relativ kleinen Gehirn dieser Tiere schuld sind, warum manche Katzen Artgenossen in ihrer Nähe dulden und – ein durchaus umstrittenes Ergebnis – welche Katzenkörper-Streichelzonen am besten ankommen.

Auch die Kommunikation von und mit Katzen steht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses von felinen Amateuren und Tierliebhaberinnen. So stellte sich bereits heraus, dass die Haustiere Zeigegesten und Blickhinweise richtig interpretieren können und Unterschiede zwischen menschlichen Gesichtsausdrücken, emotionalen Zuständen und Tonlagen machen. Nicht nur ihren eigenen Namen erkennen sie, sondern sogar jene ihrer tierischen und menschlichen Mitbewohner – jedenfalls lieferte eine Studie aus japanischen Katzencafés Indizien dafür.

Französische Katzen

Eine französische Forschungsarbeit gibt neue Einblicke in die Köpfe der Katzen und deutet darauf hin, dass die Tiere erkennen, wenn man mit ihnen spricht. Zumindest dürfte das bei den jeweiligen Besitzerinnen und Besitzern der Haustiere der Fall sein. Das schreiben Charlotte de Mouzon von der Universität Paris Nanterre und ihr Team im Fachjournal "Animal Cognition".

In der französischen Studie wurde getestet, wie 16 Hauskatzen auf verschiedene Sätze vom Tonband reagierten – mit der Stimme ihrer Bezugsperson und jener von Fremden.
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Dabei interessierte sich die Forschungsgruppe für sprachliche Unterschiede. Genauer: Sie verglichen "Babysprache" – also wenn man vereinfachte und verniedlichte Begriffe verwendet und zumeist in höheren Tonlagen kommuniziert, was sowohl gegenüber Babys als auch Haustieren vorkommt – mit der gebräuchlichen "Erwachsenensprache", die erwachsene Menschen im Alltag mit ebenfalls erwachsenen Artgenossen nutzen.

Interessante Laute

Bekannt ist bereits, dass Hunde gut auf "Babysprache" anspringen. Aber lässt sich das auch auf Katzen übertragen? De Mouzon und ihr Team nahmen dafür unterschiedliche Sprechbeispiele auf und spielten sie 16 Hauskatzen vor. Wenn die Tiere plötzlich ihr Verhalten unterbrachen, mit Ohren oder dem Schwanz zuckten, sich ihre Pupillen weiteten oder sie sich ganz der Soundquelle zuwandten, wurde dies festgehalten – als Hinweis darauf, dass ein Laut ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte.

Die Stichprobe war damit zwar relativ klein, doch die Ergebnisse dürften dennoch interessant sein. Es gab einen merklichen Unterschied, wenn eine fremde Person oder aber der bekannte Futterdosenöffner den Namen der Katze aussprach. Während die Fremden nur selten mit einer Reaktion gewürdigt wurden, zeigten immerhin zehn von 16 Katzen erhöhte Aufmerksamkeit, wenn sie die Stimme des Halters oder der Halterin hörten.

Nicht immer reagiert eine Katze, wenn sie angesprochen wird.
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Gefilterte Information

Deutlicher wurde dies, wenn die bekannten Menschen in einem Tonfall sprachen, den sie üblicherweise in der Kommunikation mit ihrem Haustier verwendeten – wobei die "Babysprache" keine Seltenheit war. Fremde, die sich in süßlicher Sprechweise an die Katzen wandten, weckten kaum Aufmerksamkeit. Und nachvollziehbarerweise interessierten sich die Tiere auch wenig dafür, wenn ihre Bezugsperson Sätze von sich gab, die offensichtlich an andere Menschen adressiert waren. Selbst wenn sie den Namen des Haustieres in neutralem Ton aussprachen, reagierten die Katzen kaum.

Die Studie deutet darauf hin, dass die Tiere bedeutungsarme Informationen filtern, schätzt der britische Verhaltensforscher und Moderator Roger Tabor, der nicht an der Arbeit beteiligt war, sich aber intensiv mit Katzenkommunikation befasst. Er zieht eine Parallele zu menschlichem Verhalten: "Ich bin sicher, dass viele menschliche Partner oft nicht hören, was der andere sagt, weil sie sich auf etwas anderes konzentrieren, das für sie unmittelbarer von Bedeutung ist." Dass Katzen eine ähnliche Strategie an den Tag legen, sei interessant, aber gar nicht so seltsam, wie man meinen könnte.

Starke Bindung

Erstautorin de Mouzon betont, dass man Katzen lange für äußerst unabhängige Wesen hielt, die nur auf der Suche nach Futter und einem angenehmen Unterschlupf in die Nähe von Menschen kommen. "Doch die Tatsache, dass sie speziell auf ihren Besitzer reagieren und nicht auf jede Person, die sie anspricht, untermauert die Vorstellung, dass es sich um anhängliche Tiere handelt", sagt die Katzenforscherin. "Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass Menschen Katzen als sensible und kommunikative Individuen betrachten sollten." Künftig wäre es interessant, die Ergebnisse direkt mit Katzen zu vergleichen, die häufiger mit Fremden zu tun haben.

Der frisch in der Downing Street eingezogene britische Premierminister Rishi Sunak zeigte dem ansässigen Kater Larry gegenüber noch keine öffentlichen Zuneigungsbekundungen. Wie viel Zeit ihnen zum Aufbau einer engen Bindung bleibt, wird sich zeigen.
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Die Wissenschafterin selbst nutzt ebenfalls "Babysprache", wenn sie mit ihren beiden Katzen spricht, und kann im Alltag beobachten, dass sie sich durchaus angesprochen fühlen. Manchen mag diese Sprechweise peinlich sein, vermutet de Mouzon, "ich glaube aber, dass sie dazu beitragen kann, die Bindung zwischen Katzen und ihren Besitzern zu stärken. Sie merken, dass wir ihnen Aufmerksamkeit schenken." Und je nach Persönlichkeit und Verfassung können sie sich immer noch dafür entscheiden, den Kommunikationsversuch geflissentlich zu ignorieren. Das demonstrierten im Experiment jene sechs von 16 Katzen, die sich auch bei der Anrede durch ihre Bezugsperson unauffällig verhielten. (sic, red, 26.10.2022)