Das Headquarter von Adnoc in Abu Dhabi: OMV will mit der staatlichen Ölgesellschaft des Emirats einen Liefervertrag für LNG fixieren.

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Beim Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV sprudeln in der größten Energiekrise, die Europa je erlebt hat, die Gewinne so stark wie nie. 3,5 Milliarden Euro waren es im dritten Quartal 2022. Dabei hatte Österreichs größtes Industrieunternehmen im Vergleichszeitraum 2021 schon so viel verdient wie in keinem anderen dritten Quartal vorher: Das um Lagereffekte bereinigte operative Ergebnis belief sich damals auf 1,8 Milliarden.

OMV-Chef Alfred Stern sprach am Freitag bei der Vorlage der aktuellen Quartalszahlen – zugeschaltet aus Abu Dhabi – von "herausfordernden Zeiten". Er spielte damit auf die Verwerfungen an, die sich im Gefolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Energiesektor ergeben haben.

Wie fix ist Adnoc-Zusage?

Mit Adnoc, der staatlichen Ölgesellschaft von Abu Dhabi, hat Stern als Teil einer Regierungsdelegation mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an der Spitze tags zuvor eine Absichtserklärung unterschrieben. Unter anderem ist darin auch die Lieferung von verflüssigtem Erdgas (LNG) für den Winter 2023/24 vorgesehen. Allerdings – in trockenen Tüchern ist der Deal noch nicht. Anders als mit Deutschland, wo RWE im September Vergleichbares vereinbart und eine Schiffsladung LNG noch für diesen Dezember fixiert hat, sind der Preis und auch der genaue Zeitpunkt der Lieferung nach Österreich offen. Es wäre das erste Mal, dass ein Schiff aus Abu Dhabi mit LNG für Österreich in See sticht.

Läuft alles glatt, soll es eine Terawattstunde (TWh) Gas sein, die in Abu Dhabi verflüssigt aufs Schiff kommt, in Rotterdam in gasförmigen Zustand gebracht und über Pipelines nach Österreich geleitet wird. Zum Vergleich: In Österreichs Speichern haben rund 95 TWh Gas Platz, was in etwa einem Jahresbedarf entspricht. Sicher sei das Ganze erst, wenn ein unterschriebener Vertrag vorliegt, sagen Insider. Es habe in der Vergangenheit schon viele Absichtserklärungen gegeben, aus denen nie etwas geworden sei.

Türöffner

Dass die Politik zumindest bei der Anbahnung von Geschäften gerade in autoritären Staaten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, zeigt die Tatsache, dass auch RWE den Deal mit Adnoc im September im Beisein von Kanzler Olaf Scholz (SPD) fixiert hat. Das LNG für Deutschland wird in Brunsbüttel an der Elbmündung regasifiziert. Der dafür notwendige schwimmende LNG-Terminal soll nach rekordverdächtig kurzer Bauzeit noch heuer bereitstehen. OMV würde die Ladung hingegen am Gate-Terminal in Rotterdam regasifizieren. Dort hält sie einen Anteil von fünf Prozent.

Schon im März ist Kanzler Nehammer nach Abu Dhabi gereist, um Ersatz für russisches Gas zu finden. Damals sprach er davon, dass man "keine Wunder" erwarten dürfe. Mit Abu Dhabi pflegt Österreich eine besondere Beziehung. Mubadala, die Beteiligungsholding des Emirats, hält 24,9 Prozent an der OMV; sie hat ihre Anteile mit den 31,5 Prozent der hiesigen staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag syndiziert.

Bohren im Weinviertel

Außer in den Emiraten sucht die OMV auch anderswo Ersatz für russisches Gas, gilt es doch, nach der Heizsaison die Speicher wieder vollzukriegen. Auch wenn nach wie vor russisches Gas in Österreich ankommt; Garantie ist das keine, dass es so bleibt. Deshalb werde man noch heuer mit einer Probebohrung im Weinviertel beginnen, um auszuloten, ob auf konventionelle Weise zusätzliches Gas aus dem Boden geholt werden könne, sagte OMV-Chef Stern. Die Inlandsförderung war zuletzt rückläufig und lag bei unter zehn Prozent des Bedarfs.

Das aus Umweltgründen umstrittene Thema Fracking wird von der OMV tunlichst vermieden. Im September hatte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) mit der Aussage aufhorchen lassen, die Beteiligungsholding Öbag sollte alle Optionen prüfen, wie Österreich unabhängiger von russischem Gas werden könne. Fracking sei kein Tabu.

Operation "Star"

Der Aufsichtsrat der OMV hat am Donnerstag grünes Licht für eine Sonderdividende von 2,25 Euro je Aktie zusätzlich zu der noch zu beschließenden Grunddividende (zuletzt 2,30 Euro) gegeben; die Diskussion über eine mögliche Abspaltung des Bereichs Exploration und Produktion (E&P) geht weiter.

Zuletzt hat sich, wie berichtet, ein norwegisches Konsortium für den Einstieg interessiert und im Gegenzug Gaslieferungen aus Norwegen in Aussicht gestellt. Im OMV-Aufsichtsrat wird das Thema unter dem Projektnamen "Star" diskutiert, sagte ein Insider zum STANDARD. Und – nach dem Abgang von Elena Skvortsova, die mit Ende Oktober die OMV vorzeitig verlässt, soll neuerlich eine Frau, die bereits gefunden sei, in den Vorstand einziehen. Sie soll im kommenden Jahr den Bereich Chemicals & Materials übernehmen, der zurzeit von Stern zusätzlich zu seiner CEO-Tätigkeit geleitet wird. Das von Skvortsova verantwortete Tankstellengeschäft geht im Bereich Raffinerie auf.

(Günther Strobl, 29.10.2022)