Der Ausbau von bestehenden Querbauwerken wie diesem an der Alm läuft schleppend. Um die Erneuerbaren-Ausbau-Ziele zu erreichen, will sie der Verein Kleinwasserkraft Österreich nachrüsten.

Foto: Alicia Prager

Auf der einen Seite der schmalen betonierten Brücke ist das Wasser aufgestaut, auf der anderen stürzt es mehr als zwei Meter hinunter. Paul Ablinger steht über das rostrote Geländer gebeugt und schaut dorthin, wo das herunterfallende Wasser weiße Spitzen schlägt. Dort sieht er vor allem eines: verschwendete Energie.

Ablinger ist der Geschäftsführer des Vereins Kleinwasserkraft Österreich und versucht, den Ausbau der Kleinwasserkraft in Österreich voranzubringen. Damit will der Verein dazu beitragen, das Erneuerbaren-Ziel Österreichs zu erfüllen: Bis 2030 soll die Wasserkraft jedes Jahr zusätzliche fünf Terawattstunden liefern, legte die Bundesregierung fest.

Das soll ermöglichen, dass Österreich seinen Strom bis dahin vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugen kann. Etwa drei Terawattstunden davon könnte die Kleinwasserkraft liefern, meint Ablinger. Darunter fallen all jene Kraftwerke, mit einer Leistung von bis zu zehn Megawatt. Die größeren unter ihnen können rund 14.000 Haushalte mit Strom versorgen.

Damit Österreich die Ziele der Energiewende schafft, müsste allerdings deutlich mehr Strom erzeugt werden – sowohl mit Wasserkraft als auch mit Solar- und Windkraft, für die ein Zuwachs von zehn und elf Terawattstunden eingeplant ist.

Viele Querbauwerke bleiben ungenutzt

Wie schleppend der Ausbau aber vorangeht, das spiegelt die schmale rostrote Brücke wider, die bei Bad Wimsbach-Neydharting über die Alm führt – einen Fluss, der sich vom Almsee aus durch Oberösterreich schlängelt, bis er bei Fischlham in die Traun mündet. "Wir versuchen seit einigen Jahren, hier ein Wasserkraftwerk zu bauen", sagt Ablinger und zuckt mit den Schultern. Die Gespräche mit den zuständigen Behörden laufen, doch eine Genehmigung sei bisher nicht in Sicht.

Paul Ablinger ist der Geschäftsführer des Vereins Kleinwasserkraft Österreich und betreibt einige Kraftwerke an der Alm.
Foto: Alicia Prager

Dabei sei das Querbauwerk – so heißen die betonierten Schwellen, die einmal zur Begradigung des Flusses angelegt wurden – bereits ein Eingriff in den Fluss. Würde hier zusätzlich Energie gewonnen, würde das dem Ökosystem des Flusses nicht mehr schaden, als es das Querbauwerk bereits tue, sagt Ablinger. "Es wäre für den Fluss sogar gut", argumentiert er.

Zu den Auflagen für Kleinkraftwerke zähle nämlich oft, dass der Fluss unterhalb des Kraftwerks in einen naturnahen Zustand versetzt werden muss. Und vor allem seien moderne Kleinkraftwerke im Gegensatz zu vielen Querbauwerken sowohl für Lebewesen im Fluss als auch für Sedimente durchlässig.

Was das bedeutet, zeigt Ablinger beim Kleinwasserkraftwerk Hafeld an der Alm. Unterhalb des Kraftwerks ist eine Sandbank in der Mitte des Flusses zu sehen, daneben reicht das Wasser tiefer. Für das Leben in der Alm sind die verschiedenen Wassertiefen wichtig: Damit gibt es Lebensraum für unterschiedliche Arten und deren Altersstadien.

Österreichs Flüsse sind bereits stark verbaut

Das Leben im Fluss: Für die Wasserkraft liegt hier ein wunder Punkt. Sie steht für den Schaden, den sie an den Flüssen anrichtet, häufig in der Kritik. Vielleicht gerade deshalb weist Ablinger sofort auf eine Schleuse, die Fische und andere Flussbewohner von der einen auf die andere Seite wandern lassen soll. "Hier kommen von der kleinsten Koppe bis zur großen Regenbogenforelle alle auf und ab", sagt er.

Trotz solcher Fischaufstiegshilfen habe jedes Kraftwerk negative Auswirkungen auf das Ökosystem von Bächen und Flüssen, antwortet Bettina Urbanek, Teamleiterin für Wasserkraft beim WWF. Bereits heute seien nur 14 Prozent der Flussstrecken ökologisch intakt.

"Die ökologischen Folgen eines weiteren Ausbaus von Kleinkraftwerken stehen nicht in Relation zur gewonnenen Energie", kritisiert sie. Statt bei der Wasserkraft auszubauen, sei es sinnvoller, den Energieverbrauch zu senken sowie noch stärker in Photovoltaik und Windkraft zu investieren, glaubt sie.

Nachrüstung kann ein bis eineinhalb Terawattstunden bringen

Und der Bau von Kraftwerken auf Querbauwerken wie jenem mit dem rostroten Geländer an der Alm? Punktuell könne das sinnvoll sein, sagt Urbanek. Doch müsse das von Fall zu Fall beurteilt werden. Wenn möglich, sollten ungenützte Querbauten lieber abgerissen und bereits bestehende Kraftwerke nachgerüstet werden, damit dort mehr Energie erzeugt werden kann, sagt sie.

Mit einer Nachrüstung bestehender Kraftwerke sind laut dem Verein Kleinwasserkraft Österreich insgesamt in etwa rund eine bis eineinhalb zusätzliche Terawattstunden zu holen. Für die fünf Terawattstunden, die die Bundesregierung für die Energiewende einrechnet, würde es also auch den Neubau brauchen.

Dabei sei insbesondere die Kleinwasserkraft ausschlaggebend, so Günter Pauritsch von der Österreichischen Energieagentur. "Die großen Flüsse, allen voran die Donau, sind bereits stark ausgebaut." Die großen Kraftwerke liefern rund 88 Prozent der heutigen Wasserkrafterzeugung. "Da ist nicht mehr viel Spielraum nach oben", erklärt Pauritsch.

Folgen des Ausbaus wären regional sehr unterschiedlich

Welche ökologischen Auswirkungen der weitere Ausbau der Wasserkraft haben könnte, ist von Standort zu Standort unterschiedlich, wie der Ökologe Gabriel Singer von der Universität Innsbruck in einem Interview mit der APA betonte. Man müsse gemeinsam überlegen, wo Kraftwerksbauten sinnvoll wären und den geringsten Schaden anrichten, sagte er.

"Eingriffe in Fließgewässer – wie etwa Kraftwerksbauten – würden sich weit über den lokalen Standort hinaus auswirken, denn ein Bach oder ein Fluss kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Teil eines großflächig verzweigten Netzwerks", so Singer.

Die Alm ist bereits relativ stark genutzt. Seit dem 14. Jahrhundert wurde das Fließwasser für Mühlen verwendet, in denen etwa Weizen gemahlen oder Holz geschnitten wurde. Für die Mühlen wurden sogenannte Mühlbäche von der Alm abgeleitet.

An so einem Bach wuchs Ablinger auf. Sein Großvater betrieb bis in die 1960er-Jahre eine Mühle, die er damals auf die Stromerzeugung umrüsten wollte. Aber die Pläne scheiterten an den damaligen rechtlichen Rahmenbedingungen – er durfte mit der privaten Leitung das öffentliche Gut nicht queren. Erst die Ölkrise in den 70er-Jahren änderte das und machte den Ausbau für seinen Vater möglich.

Weniger Energie im Sommer

Mit Blick auf die Zukunft steht die Branche vor einer anderen folgenschweren Frage: jener, wie die Erderhitzung den Wasserstand verändern wird. Was das bedeuten kann, zeigten etwa im Sommer Nachrichten aus der chinesischen Provinz Sichuan, die stark auf Wasserkraft setzt. Aufgrund von Trockenheit und Hitze brach die Energieversorgung dort für zwei Wochen zusammen – die Industrie wurde stillgelegt, die Energie für Haushalte rationiert. Kann das auch in Österreich passieren?

"Es ist derzeit nur schwer abzuschätzen, was die Erderhitzung für die Wasserkraft bedeuten wird", erklärt Pauritsch. Einen Vorgeschmack gab allerdings der vergangene Juli: Aufgrund der langen Hitzeperiode wurden nur rund 77 Prozent des Stromverbrauchs durch Wasserkraft gedeckt, im Vorjahr waren es 96 Prozent.

Zu den langfristigen Trends erklärt die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG): Die Niederschlagsmengen werden sich mit der Erhitzung des Klimas verändern – inwiefern, das dürfte regional unterschiedlich ausfallen. Bislang nimmt der Niederschlag in Westösterreich zu, während er im Südosten abnimmt. In den Alpen sei bis 2050 mit um acht Prozent mehr Niederschlägen zu rechnen. Zu den veränderten Niederschlägen kommt das Schmelzen der Gletscher – ohne sie werden die Flüsse im Sommer deutlich weniger Wasser führen.

Über das Jahr gerechnet bedeute all das voraussichtlich, dass sich die Phasen verschieben, in denen die Wasserkraft viel Strom liefern kann, sagt Ablinger. Heute wird im Frühling und Sommer viel Strom produziert, in Zukunft wird es voraussichtlich das Winterhalbjahr sein. "Wir hoffen, dass die Stromerzeugung über das Jahr gerechnet in Österreich auf einem ähnlichen Niveau bleiben wird." (Alicia Prager, 4.11.2022)