Die gute Nachricht zuerst: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich endlich für das "schlechte Bild" entschuldigt, das Interventionen in Steuerverfahren oder Verdachtsmomente rund um manipulierte Umfragen "auch im Ausland" erzeugten. Die schlechte Nachricht: Er weitete die Verantwortung dann gleich auf die gesamte Politik auf, statt die Affären klar als ÖVP-gemacht zu beurteilen. Es tue ihm leid, "wenn der Eindruck entsteht, dass die Sorgen der Menschen nicht ernst genommen werden, weil die parteipolitische Auseinandersetzung dominiert".

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich für das "schlechte Bild" entschuldigt, das die Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Wochen ertragen mussten.
Foto: Heribert Corn

Diese Chuzpe muss man erst einmal haben! Es geht in der Debatte, die Österreich führt, nicht um "parteipolitische Auseinandersetzungen", sondern um schwere Korruptionsvorwürfe, die Thomas Schmid, jemand aus dem Inneren der Volkspartei, seinen ehemaligen Parteifreunden gemacht hat. Es geht nicht um Anwürfe von SPÖ, FPÖ und Neos – sondern es geht um Chatnachrichten, die schwarz auf weiß zeigen, wie die türkise Clique mit zumindest moralisch fragwürdigen Mitteln die Macht erobert und dann Posten verteilt hat.

Einmal mehr hat die ÖVP in der Sondersitzung bewiesen, dass sie zu keiner Selbstreflexion fähig oder willens ist. Ihre Argumentation ist nur noch chaotisch und widersprüchlich: Schmid lügt, außer er wird heimlich von Sebastian Kurz aufgezeichnet. Man soll nicht vorverurteilen, aber Sobotka und Wöginger seien unschuldig, das sei bewiesen.

Es ist der langsame Untergang der Kanzlerpartei, den man in Echtzeit beobachten kann.(Fabian Schmid, 2.11.2022)