Unter dem leicht piefkinesisch klingenden Titel "Klasse Job" hat der Bildungsminister eine Kampagne gestartet, die jungen Leuten den Lehrerberuf schmackhaft machen soll. Gutes Deutsch ist das nicht gerade, aber gut gemeint. Und bitter notwendig, denn demnächst geht die Babyboomer-Generation in Pension, und das Land braucht Lehrer und Lehrerinnen wie einen Bissen Brot.

Quereinsteigerin Gudrun hat ihren "klasse Job" bereits. Sie ist Akademikerin mit Zusatzausbildungen, kein Beiwagerl, sondern verantwortliche Klassenlehrerin einer vierten Volksschulklasse, in der die meisten Kinder nicht Deutsch als Muttersprache haben. Dafür bekommt sie 1500 Euro im Monat, um gut einen Tausender weniger als reguläre Lehrer. "Wenn ich nicht einen gut verdienenden Mann hätte, könnte ich mir den Job gar nicht leisten", sagt sie.

Kann sich ein so reiches Land wie Österreich wirklich kein erstklassiges Schulsystem leisten?
Foto: APA/ZB/KLAUS-DIETMAR GABBERT

Schüler Ali übt Lesen und Schreiben mit seiner Lesepatin. Er ist ein aufgeweckter kleiner Kerl mit dem Potenzial für Gymnasium und Studium. Er spricht Dari und Farsi, kann sich auf Deutsch ganz gut verständigen, aber in der großen Klasse bekommt er nur einen Teil des Unterrichtsstoffes mit. Ob er nächstes Jahr den Umstieg in eine weiterführende Schule schafft, ist ungewiss. Vielen in seiner Klasse geht es ähnlich. Gudrun zeigt die schriftlichen Arbeiten ihrer Schüler. Zwischen den Besten und den Schwächsten liegen Welten.

Bildungsprogramme

Zehntausende österreichische Schüler und Schülerinnen brauchen Nachhilfeunterricht außerhalb der Schule. Eine ganze Branche lebt davon. Eltern, die Vollzeit arbeiten, haben für ihre Kinder Anspruch auf Hortplätze, aber die wollen bezahlt sein. Mit der steigenden Inflation haben viele Familien die Ausgaben für den Hort eingespart. "Wir haben wieder Schlüsselkinder, wie in der Nachkriegszeit", sagt eine Lehrerin. Schlüsselkinder, mit dem Wohnungsschlüssel an einem Bändchen um den Hals, kommen nach der Schule nach Hause in eine leere Wohnung und sind den ganzen Nachmittag sich selbst überlassen.

Die Zivilgesellschaft tut, was sie kann. Hilfsorganisationen bieten Bildungsprogramme an, die Caritas betreibt Lerncafés, in denen Freiwillige Schulkinder beim Hausaufgabenmachen unterstützen. In vielen Schulen sind Lesepaten und Lesepatinnen zugange. Aufgaben, für die eigentlich der Staat zuständig wäre.

Manche Lehrer und Lehrerinnen hatten in den letzten Jahren Gelegenheit, die Bildungssysteme in Skandinavien kennenzulernen. Im Bildungsmusterland Finnland hörten sie: Wir haben keine Bodenschätze, unsere Schätze sind unsere Kinder. Und Österreich? Kann sich ein so reiches Land wirklich kein erstklassiges Schulsystem leisten? Der Forderungskatalog der Experten und Expertinnen ist so alt, dass es fast schon langweilig ist, ihn zu wiederholen: Kleinere Klassen. Mehr unterstützendes Personal. Mehr Ganztagsschulen. Schluss mit der frühen Trennung der Schüler und Schülerinnen ab der vierten Schulstufe. Alles bekannt, alles nicht bewältigt.

Trotzdem geht es irgendwie. Aber eben nur irgendwie. Langsam wäre es Zeit, dass auch die Bildungspolitik einen "klasse Job" macht. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 3.11.2022)