Bei den französischen Rechtsnationalen darf man nicht alles zum Nennwert nehmen, was sie tun und lassen. In Frankreich bedeutet ein Parteivorsitz traditionellerweise die spätere Präsidentschaftskandidatur. Nicht so beim Rassemblement National: Jordan Bardella (27) ist zwar neuer Parteichef – doch Marine Le Pen, die Tochter des Firmen- beziehungsweise Parteigründers Jean-Marie Le Pen, den sie eigenhändig aus der Partei geworfen hat, fällt alle relevanten Entscheidungen weiterhin allein. Namentlich zur Frage, ob sie 2027 erneut als Staatschefin kandidieren wird.

Jordan Bardella (27) ist zwar neuer Parteichef – doch Marine Le Pen, fällt alle relevanten Entscheidungen weiterhin allein.
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Alles deutet darauf hin, dass sie es nochmal wissen will. Nach dem diesjährigen Achtungserfolg von 41,5 Prozent gegen Emmanuel Macron hat sie weiter Rückenwind. Der telegene, mundfeile Bardella ist ihr nunmehr ein wichtiger Sekundant, der die Weichspülrhetorik Le Pens ebenso perfekt beherrscht.

Dummerweise hat sich einer der 89 Abgeordneten vergangene Woche selbst verraten, als er den Auftritt eines schwarzen Parlamentskollegen mit dem spontanen Ruf unterbrach: "Zurück nach Afrika!" Das sei nicht so gemeint gewesen, beteuerte der Mann aus dem rechten Eck. Aber das nimmt ihm niemand ab. Hinter der sozialen Fassade, derer sich die Lepenisten heute befleißigen, kommt immer wieder die rassistische Fratze durch. Und diese muss leider wirklich zum Nennwert genommen werden. Deshalb sollte – und dürfte – Frau Le Pen nie im Élysée-Palast landen. (Stefan Brändle, 6.11.2022)