"Morgen holt sie ihre scheußliche Bettwäsche und das monströse Fitnessgerät ab. Das war’s dann", sagt mein Freund, der Musikproduzent. Er sendet gemischte Signale aus: Einerseits wirkt er erleichtert. Andererseits nachdenklich. Wie das eben so ist, wenn eine Verbindung scheitert, bei der große Gefühle im Spiel waren. In seinem Fall sprechen wir sogar von Ehe. Für die Hochzeit mit seiner schönen Opernsängerin hatten wir uns die ausgefallensten Hüte gekauft.

Praktisch Versus ästhetisch: Möbel oder Fitnessgeräte haben schon so mancher Beziehung den Todesstoß verpasst.
Foto: imago images/Westend61/Hernandes and Sorokina

Mad Men

Was ist zwischen meinem Freund und seiner Frau schiefgelaufen? Nun, nach der Hochzeit zog sie zu ihm – er lebte in der größeren Wohnung. Das heißt, sie kam mit ihren Siebensachen in einem Domizil an, welches nach allen Regeln der hohen Einrichtungskunst seit Jahren verfeinert worden war. Man könnte einen Mad Men-Thriller in der Wohnung des Musikproduzenten drehen. Hier stimmt einfach alles: Der steingraue Bouclé-Stoff des Sixties-Sofas steht in einem erfrischenden Spannungsverhältnis zu den schwarzen Leder-Fauteuils. Lampenschirme in Form von schwarzgoldenen Kanonenrohren konterkarieren aufs Vorzüglichste die Sammlung expressionistischer Gemälde an den Wänden.

Sofa-Gate

Eines Tages kam mein Freund von einer Dienstreise zurück und siehe da: Sie hatte die Möbel umgestellt. Ohne Ankündigung. Um Platz für ihr Fitnessgerät zu schaffen, hatte sie das Sofa an eine andere Wand gerückt. "So ist es praktischer", sagte sie damals. Dieser Satz war der Todesstoß für ihre romantische Verbindung, ab dann ging es nur mehr bergab. Drei Tage schwieg der Musikproduzent ("Ich versuchte, fair und demokratisch zu bleiben."), dann brach es aus ihm heraus: Er könne mit dem Sofa an einer für ihn sinnlosen Stelle nicht leben. Worauf sie ihm völlig zu Recht an den Kopf warf: Sie hätte in dieser Wohnung keine Rechte und keinen Platz.

Auf Dandy-Diät

"Ich war wohl ziemlich egoistisch in dieser Beziehung", sagt mein Freund. "Aber es ging nicht anders." – "Mit uns kann man nicht zusammenwohnen", tröste ich ihn. Auch meine Ehe sei letztlich an zu großen Wäscheständern und einem ergonomischen Schreibtischsessel in Grellorange gescheitert. Und dann erinnere ich meinen Freund an eines unserer Lieblingsbücher, die Bibel aller Dandys, Gegen den Strich von Joris-Karl Huysmans: "Wer seine Lebenskraft durch ästhetische Sensationen am Laufen halten muss, kann zwar lieben, ja, aber leben tut er besser allein", sage ich. Damit war die Sache ein für alle Mal beschlossen. (RONDO, Ela Angerer, 20.11.2022)