"It’s the economy, stupid." Dieser Satz, dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zugeschrieben, erweist sich dieser Tage in den USA als aktuell wie eh und je. Am Dienstag ist Wahltag, abgestimmt wird auf vielen Ebenen; im Vordergrund freilich stehen die Kongress- und Gouverneurswahlen.

Noch vor zwei Monaten hatte die Demokratische Partei die Hoffnung, mit dem polarisierenden Thema Abtreibung unentschlossene Wählerinnen und Wähler auf ihre Seite zu ziehen; mittlerweile dominiert aber vor allem die wirtschaftliche Situation die Diskussionen. Die Inflation ist so hoch wie seit über 40 Jahren nicht. Lebensmittel, Energie und Wohnen kosten empfindlich mehr, Kreditzinsen steigen an. Da hilft es den Demokraten wenig, dass sie richtigerweise darauf hinweisen, dass der russische Angriffskrieg die Inflation weltweit antreibt, obwohl die US-Wirtschaft eigentlich ganz gut dasteht. Die Republikaner stürzten sich in den vergangenen Wochen auf das Wahlkampfgeschenk der Teuerung und lasteten sie erfolgreich Joe Biden an. Die Demokraten hingegen machten lange den Fehler, weiter auf ihre Themen wie Abtreibung und die drohende Gefährdung der Demokratie zu setzen, anstatt das Wahlvolk von ihrer wirtschaftlicher Kompetenz zu überzeugen.

Laut CNN gehen 70 Prozent der republikanischen Wähler davon aus, dass Biden den Wahlsieg gestohlen hat.
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Erbitterte Feinde

Apropos drohende Gefährdung der Demokratie: Die ist in den USA längst im Wanken – und das nicht erst seit dem 6. Jänner 2021 und dem Sturm aufs Kapitol. Natürlich zeigt aber auch dieser Wahlkampf deutlich, dass Demokraten und Republikaner nicht mehr nur politische Gegner sind, sondern erbitterte Feinde, die mit allen Mitteln gegeneinander kämpfen – ein unwürdiges Schauspiel für das "Land of the Free". Allein im Jahr 2021 verzeichnete die Kapitolpolizei in Washington zehnmal so viele Drohungen gegen Mitglieder des US-Kongresses als noch vor den Wahlen 2016. Morddrohungen und Forderungen nach der Todesstrafe für Politikerinnen und Politiker stehen auf der Tagesordnung. Die Hammerattacke gegen Paul Pelosi ist da nur die Spitze des Eisbergs. Die "Heilung" der USA, wie sie Biden bei Amtsantritt gelobt hatte, ist gehörig schiefgegangen.

Zum politischen Konsens sind die USA offensichtlich nicht mehr fähig. Laut CNN gehen 70 Prozent der republikanischen Wähler davon aus, dass Biden den Wahlsieg tatsächlich gestohlen hat. Fallen sowohl Repräsentantenhaus als auch Senat am Dienstag mehrheitlich an die Republikaner, drohen politischer Stillstand wie auch Kämpfe auf vielen Ebenen.

Eine Frage von zentraler Relevanz wird sich jedenfalls nach den Midterms wieder stark in den Vordergrund drängen: Wird Biden 2024 mit 82 Jahren noch einmal antreten? Und heißt sein Gegner dann Donald Trump? Dass Biden der richtige Kandidat ist, bezweifeln mittlerweile auch viele Demokraten. Das Dilemma: Weit und breit ist derzeit keine Alternative auszumachen, die gegen Trump bestehen könnte.

Die Midterms sind jedenfalls nur ein kleiner Vorgeschmack auf das Jahr 2024. Dann könnte sich tatsächlich das Schicksal der US-Demokratie entscheiden. (Manuela Honsig-Erlenburg, 8.11.2022)