Die Lebenshaltungskosten steigen und steigen. Viele Frauen wissen nicht, wie sich das für sie und ihre Kinder noch ausgehen soll.

Foto: imago images/CHROMORANGE

Marina hat immer Vollzeit gearbeitet, 40 Jahre, zwanzig davon in einem Altenheim, "wo ich alles gemacht" hab, wie die frühere Pflegehilfskraft sagt. Jetzt ist sie in Pension, musste Privatkonkurs anmelden – und wohnt seit einem halben Jahr in einem Frauenwohnheim der Caritas für armuts- und gewaltbetroffene Frauen. "Ich bin froh, dass ich hier sein kann", sagt Marina, die jetzt daran arbeitet, ihrer Schulden abzuzahlen, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen.

"Frauenwohnen" der Caritas Salzburg wurde im Frühjahr nahe dem Salzburger Hauptbahnhof eröffnet. Dort können Frauen eine der 34 kleinen, leistbaren Wohnungen mit eigener Küche und Bad beziehen, auch mit ihren Kindern. Für 399 Euro Miete pro Monat. Die Nachfrage ist hoch, vermittelt werden die Frauen von diversen Beratungsstellen. Platz können Frauen mit diversen Gewalterfahrungen finden, sei es physische, psychische oder strukturelle Gewalt, erklärt Einrichtungsleiterin Sabine Zeller. Oder Frauen, die von Altersarmut betroffen sind, wie Marina.

40 Jahre, Vollzeit

Für die 70-Jährige wurde vor gut einem Jahr klar, dass sich die Miete nicht mehr ausgeht, die in den Jahren davor jedes Jahr zweimal um rund 30 Euro erhöht wurde. Schulden waren schon länger ein Thema für Marina. Erst fand sie drei Monate Unterschlupf bei einer Freundin, heute sitzt Marina in einem gespendeten Futonsessel in einem der Gemeinschaftsräume des Hauses und erzählt von ihrer Sorge, wenn sie hier wieder rausmuss. Die Wohnungen der Caritas sind nur vorübergehende Bleiben, nach einer bestimmten Zeit müssen sie wieder für andere Frauen frei werden.

Wie lange die Frauen die Wohnungen benötigen, ist unterschiedlich, sagt Zeller. Die im Haus angebotene Unterstützung bei der Schuldenregulierung oder bei der Jobsuche greift unterschiedlich schnell. 568.000 Frauen sind laut Statistik in Österreich von Einkommensarmut betroffen, die Hälfte davon lebt in akuter Armut. Als Ursache für Frauenarmut nennt die Armutskonferenz die niedrigen Einkommen. Die Gründe dafür liegen in einer generellen Einkommensdiskriminierung, da Frauen überproportional in atypischen Berufen und schlecht entlohnten Branchen beschäftigt sind.

So wie Marina ihr Leben lang. Ihre Zukunftssorgen betreffen vor allem den Wohnungsmarkt. Mit gutem Grund: Die Arbeiterkammer rechnete für Salzburg aus, dass die Mieten in den vergangenen 20 Jahren um 60 Prozent gestiegen sind – und allein vom Jahr 2020 auf das Jahr 2021 kletterten sie in der Stadt Salzburg um 5,4 Prozent.

Corona und kein Krippenplatz

Marina hat ihr Berufsleben hinter sich, Emilia hingegen hat in ein solches nie so richtig reingefunden. Die 26-jährige ist gerade mit ihrem dritten Kind schwanger und lebt derzeit mit ihrer sechsjährigen Tochter und ihrem dreijährigen Sohn im Frauenwohnen. "Noch haben wir hier gut Platz", erzählt sie. Die zwei Kinder im Stockbett, Emilia hat ein "eigenes Bett", wie sie betont. Ihre Kinder sind zwei von insgesamt 17 Kindern im Alter zwischen zehn Monaten und 17 Jahren in dem Wohnprojekt. Emilia ist eine von 33 Frauen zwischen 19 und 82 Jahren. Derzeit steht nur eine Wohnung leer – doch lange wird das nicht so bleiben. Die Warteliste ist lang. Bevor eine Frau einziehen kann, gibt es ein gegenseitiges Kennenlernen, und vonseiten der Caritas muss geklärt werden, ob im Rahmen der vorhandenen Betreuung im Haus die Probleme der Frau gehandelt werden können – auch ein Aufnahmegespräch gibt es.

Emilia wurde durch eine Betreuerin von Rettet das Kind dorthin vermittelt. Sie war eine der Ersten, die in das Frauenwohnheim eingezogen sind. Auch Emilia kommt schnell auf die Wohnungspreise zu sprechen. Bevor sie die kleine Wohnung hier bei der Caritas beziehen konnte, wohnte sie bei ihren Eltern. Es gefällt ihr, dass sie im Frauenwohnheim mit vielen anderen Frauen in Kontakt ist, trotzdem will sie so schnell wie möglich in eine eigene Wohnung. Ihr Kind will sie hier nicht mehr bekommen. Die Frauen unterstützen sich gegenseitig, sagt Sabine Zeller. "Wenn eine krank ist, nimmt eine andere Bewohnerin schon mal das Kind, damit sie schlafen kann, oder sie gehen füreinander einkaufen."

Rare Kinderbetreuungsplätze

Emilia stieg mit 16 Jahren ins Berufsleben ein, mit einer Lehre im Einzelhandel. Doch bald gab es Probleme mit ihrem Filialleiter, "ich musste Klo putzen anstatt die Ware einzuräumen". Er habe auch behauptet, dass sie das Essen, das sie für die Pause nimmt, nicht bezahlt – "der war ausländerfeindlich". In eine andere Filiale wollte sie nicht – Einzelhandel "war einfach nicht mein Ding". Nach Abbruch der Lehre arbeitete sie als Reinigungskraft, später als Zimmermädchen – und das war ihr Ding. Dann wurde sie zum ersten Mal schwanger, ein Jahr nach der Geburt ihres ersten Kindes wollte sie wieder einsteigen. Doch sie bekam keinen Krippenplatz, ihre Tochter müsste mindestens 1,5 Jahre alt sein, hieß es.

Einen Kinderbetreuungsplatz in Salzburg, auch in der Stadt, zu finden ist sehr schwer, sagt Sabine Zeller. Es gibt lange Wartelisten und auch Plätze bei Tagesmüttern gibt es kaum. Und das hängt wiederum mit den fehlenden Kindergartenplätzen zusammen: Wenn Kinder etwa mit vier Jahren schon in den Kindergarten könnten, dort aber keinen Platz bekommen, dann bleiben sie bei der Tagesmutter. Diese hat dann wiederum keine Plätze für neue Kinder frei. "Damit beginnt ein Teufelskreis: Kein Kinderbetreuungsplatz bedeutet keinen Arbeitsplatz", und das wiederum kein Geld für Kinderbetreuung und Wohnung, sagt Zeller. Die aktuelle Teuerung der Lebensmittel – gerade wenn man zwei oder drei Kinder hat – setze die Frauen zusätzlich unter Druck.

Bei Emilia war es nicht nur der fehlende Krippenplatz. Wegen Corona schloss das Hotel, in dem sie gearbeitet hat. Dort hatte sie ihren letzten Job, seitdem ist sie arbeitslos. Was sie sich für ihre Zukunft wünscht? "Einen Job, den ich länger behalten kann, und eine eigene Wohnung", sagt Emilia – und "dass ich meine Familie ernähren kann". (Beate Hausbichler, 10.11.2022)