Zehn Tage vor Anpfiff der Fußballweltmeisterschaft überbieten sich vor allem Stimmen aus der westlichen Wertegemeinschaft mit Kritik an Gastgeber Katar. Wohl hat Nikolaus Blome recht, wenn er in seiner Kolumne im Spiegel Entscheidungsträger geißelt, die sich "jetzt hinter den Zug werfen", statt alles in ihrer Macht Stehende unternommen zu haben, um die Vergabe der WM an Katar zu verhindern.

Das Al Thumama Stadium in Katar.
Foto: IMAGO/MIS

Aber inzwischen ist man am Persischen Golf, bestärkt durch den Weltfußballverband Fifa, nicht einmal mehr willens, Verständnis für Kritik zu heucheln. Emir Tamim bin Hamad Al Thani beklagt eine "beispiellose Kampagne" und "Doppelmoral". Sein ihm anverwandter Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani nennt kritische Stimmen aus Europa "sehr arrogant und sehr rassistisch", und WM-Botschafter Khalid Salman bezeichnet Homosexualität als "geistigen Schaden".

Dass er seine Diagnose in einem Interview mit dem ZDF stellt, könnte auf die geistige Verfasstheit des ehemaligen Teamfußballers schließen lassen, zeugt aber viel mehr von der völligen Ignoranz der katarischen Nomenklatura, die längst nicht mehr einen ernsthaften Boykott des Milliardenevents fürchten muss. Da fehlt schlicht jedes Verständnis für menschenrechtliche Anliegen.

Für die von den Befürwortern der WM gerne ins Treffen geführte Chance auf gesellschaftlichen Wandel infolge des Fußballspektakels ist das ein schlechtes Zeichen. (Sigi Lützow, 9.11.2022)