Zahltag im Handel. 70 Prozent seiner Mitarbeiter sind Frauen.

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Wien – 70 Prozent seiner Mitarbeiter sind Frauen. Knapp 37 Prozent von ihnen arbeiten in Teilzeit. Ihr Mindestgehalt beträgt 1.800 Euro. Der Handel stellt in Österreich jeden siebenten Arbeitsplatz. Heute, Donnerstag, ringen die Sozialpartner einmal mehr um neue Löhne und Gehälter. Dass sich die Sozialpartner im dritten Anlauf einigen, gilt jedoch als eher unwahrscheinlich. Zu weit liegen ihre Vorstellungen derzeit noch auseinander.

Die Gewerkschaft eröffnete den Reigen der Forderungen mit einem Gehaltsplus von zehn Prozent. Die Arbeitgeber parierten mit einem Angebot von 3,5 Prozent und einer zusätzlich monatlich ausbezahlten steuerfreien Einmalprämie in gleicher Höhe. Was die Arbeitnehmer, die in den vergangenen Tagen zu insgesamt 300 Betriebsversammlungen aufriefen, eine Provokation nannten.

Das neue Angebot der Arbeitgeber werde bei fünf Prozent höheren Löhnen und Einmalzahlungen von zwei Prozent liegen, vermuten Handelskenner im STANDARD-Gespräch. Sie bezeichnen dieses als absolute Schmerzgrenze. Schon jetzt stünden viele Jobs in der Branche auf der Kippe. Nie sei der finanzielle Spielraum der Unternehmen aufgrund der Energiekrise und des flauen Konsums geringer gewesen.

Ein Plus von Dauer

Die Gewerkschaft besteht jedoch weiterhin auf ein dauerhaftes Gehaltsplus von zumindest sieben Prozent. Ihrer Ansicht nach habe der Handel im Vorjahr hervorragend verdient. Jeder zusätzliche Euro an Gehalt mehr fließe zurück in den Konsum und stärke damit die Wirtschaft, argumentieren Arbeitnehmer.

Verhandlungsbasis ist eine Inflationsrate von 6,9 Prozent. Die Metaller als Messlatte für viele andere Branchen einigten sich jüngst auf eine Lohnerhöhung von im Schnitt 7,4 Prozent.

Vergleichbar sind Industrie und Handel jedoch kaum, allein schon weil die Gehälter im Einzelhandel einen deutlich höheren Teil der Gesamtkosten ausmachen. Erschwerend ist seine starke Heterogenität. Selbst innerhalb gleicher Branchen geht eine tiefe Kluft auf. Seine Möglichkeiten, Preise anzuheben, sind vielerorts begrenzt. Die Konkurrenz ist groß, wer aus Sicht der Konsumenten den Bogen finanziell überspannt, zieht den Kürzeren.

Viele Beschäftigte des Handels kamen in Zeiten der Pandemie hart an ihre Grenzen. Nach wie vor fehlt es an allen Ecken und Enden an ausreichend Personal, was die bestehende Belegschaft zusätzlich fordert. Die Arbeitszeiten gelten als widrig. Viele Frauen wechseln in familienfreundlichere, besser bezahlte Branchen. (Verena Kainrath, 10.11.2022)