Die Klimakonferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh neigt sich langsam dem Ende zu. Am Freitagabend sollte eigentlich Schluss sein – zumindest offiziell. Doch die inzwischen 28-jährige Geschichte der Klimakonferenzen zeigt, dass die meisten zumindest bis in den Samstag hinein verlängert wurden.

Auch dieses Mal ist nicht mit einem Ergebnis am Freitag zu rechnen. Verhandelt wird vor allem über den sogenannten "Cover Text", eine Abschlusserklärung, in der die knapp 200 Staaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) ihre gemeinsame Stoßrichtung festhalten. Weil nach Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, ist das ein äußerst zäher Prozess.

In wichtigen Punkten ist der gemeinsame Nenner noch nicht in Sicht. Beim Thema "Loss and Damage", den Schäden und Verlusten, die durch die Erderhitzung entstehen, blockieren die Industrieländer, beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Schwellen- und Entwicklungsländer. DER STANDARD hat die Positionen der wichtigsten Parteien zusammengefasst.

EU und USA: Zu Hause ambitioniert, knausrig mit Zusagen

Die EU präsentiert sich in Sharm el-Sheikh als Vorreiterin: Nachdem vergangene wichtige Teile des EU-Klimaschutzpakets Fit for 55 beschlossen wurden, geht die EU davon aus, dass sie ihr Ziel, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, sogar übertreffen wird. Bei "Loss and Damage", einem Schlüsselthema des Klimagipfels, legt sich die EU allerdings quer. Eine neue Struktur, um Geld für Klimaschäden an betroffene Staaten im Globalen Süden auszubezahlen, will die EU nicht.

Auch in den USA soll der Inflation Reduction Act die Energiewende mit hunderten Milliarden Dollar unterstützen. Ob sich die USA an einem Klimaschadenfonds beteiligen? "Das wird einfach nicht passieren", stellte der US-Klimabeauftragte John Kerry klar.

Die Klimabeauftragten von China, Xie Zhenhua, und den USA, John Kerry, bei der Klimakonferenz 2021 in Glasgow. Eine Einigung der beiden Schwergewichte gilt als essenziell für die internationale Klimapolitik.
Foto: AP/Alberto Pezzali

China: Größter Verschmutzer entscheidet über Erfolg

Die Einigung auf das Pariser Klimaabkommen, so heißt es, wurde auch deshalb erreicht, weil China und die USA zu dieser Zeit gute diplomatische Beziehungen hatten. Doch in den vergangenen Monaten herrschte Funkstille zwischen den Schwergewichten – vor allem wegen des Taiwan-Besuchs der führenden US-Abgeordneten Nancy Pelosi.

Eine Annäherung beim G20-Gipfel am Dienstag verspricht Tauwetter – ein ambitionierterer Abschluss in Ägypten rückt näher. Die Verhandlungen sind für China eine Gratwanderung. Einerseits will es Gewicht auf der Weltbühne zeigen, auf der anderen Seite seinen Status als Entwicklungsland nicht einbüßen. Denn dann läge die Forderung nahe, dass auch China für Klimaschäden zur Kasse gebeten wird.

In einer ähnlichen Position befindet sich China in der Diskussion über die Reform des multilateralen Finanzsystem. Hochverschuldete Staaten, deren Budgets von enormen Zinszahlungen belastet werden, fordern eine Umstrukturierung. Anders seien die vielen nötigen Investitionen in die Energiewende, die Anpassung an die Erderhitzung und die Finanzierung von Klimaschäden nicht stemmbar, sagen sie. China hat hier eine besonders wichtige Rolle: Es hält rund ein Drittel der Schulden von einkommensschwachen Ländern.

"Habt ein Herz und tut etwas", fordert die 10-jährige ghanaische Klimaaktivistin Nakeeyat Dramani auf der COP27 bei einer Rede vor Delegierten und dem COP-Vorsitz im ägyptischen Sharm el Sheikh
DER STANDARD

Ägypten: Gastgeber will afrikanische Interessen vertreten

Ägypten kommt bei der Konferenz eine besondere Rolle zu: Das Gastgeberland muss die Wünsche der Nationen sammeln und daraus einen Vorschlag für ein Abschlusspapier basteln. Bereits im Vorfeld der Konferenz verkündete Ägypten, die Interessen der Entwicklungsländer, insbesondere der afrikanischen, in den Mittelpunkt des Gipfels zu rücken.

So landeten Ausgleichszahlungen für Klimaschäden erstmals auf der Agenda einer Klimakonferenz. Gut möglich, dass Ägypten diese auch im Abschlusspapier festhalten will. Eher wenig Ambition darf man sich von Ägypten erwarten, wenn es um ein Bekenntnis zum Ausstieg aus fossiler Energie geht: Das Land ist der zweitgrößte Gasproduzent Afrikas und plant, die Förderung weiter auszubauen.

Indien: Kohleland sendet gemischte Signale

Wie kaum ein anderes Land hängt Indien an der Kohle, dem schmutzigsten aller Energieträger. Trotzdem erreicht das Land in Rankings, etwa dem am Montag von Germanwatch und Climate Action Network veröffentlichten Klimaschutzindex, gute Plätze – denn Indien sendet für ein Schwellenland vergleichsweise ambitionierte politische Klimaschutzsignale. Trotzdem war es vergangenes Jahr unter anderem Indien, das einen Passus zum Kohleausstieg im Glasgow Climate Pact in letzter Minute abschwächte. In Sharm el-Sheikh drängt Indien nun darauf, den Ausstieg aus allen fossilen Energien im Abschlusspapier zu verankern. Beobachter vermuten, dass Indien damit den Fokus von Kohle weglenken will.

Nach der Flutkatastrophe in Pakistan stand zeitweise ein Drittel des Landes unter Wasser. Aufgrund der Klimakrise werden extreme Wetterereignisse häufiger – die betroffenen Staaten wollen dafür Geld sehen.
Foto: Reuters/Akhtar Soomro

Pakistan: Flutgeplagtes Land will Geld für Schäden

Auf dem pakistanischen Pavillon steht ein deutlicher Appell: "What goes on in Pakistan won't stay in Pakistan." Allein die Kosten für den Aufbau nach der verheerenden Flut übersteigen jetzt schon die Marke von 30 Milliarden Dollar. Und nicht nur das: Die vielen Wetterkatastrophen bedeuten auch, dass das Land höhere Zinsen zahlen muss und Versicherungen teurer werden. Wie viele andere Staaten fordert Pakistan auf der Klimakonferenz deshalb die Reform der globalen Finanzstruktur.

Und: Wie auch viele andere Entwicklungsländer will es einen eigenen Fonds für Klimaschäden und -verluste sehen. Bekommt es auf der Klimakonferenz keine weiteren Zusagen der Industriestaaten, wird es die Konferenz wohl als gescheitert betrachten. (Alicia Prager, Philip Pramer aus Sharm el-Sheikh, 17.11.2022)