Die Angehörigen der Universitäten gehen derzeit für mehr finanzielle Mittel auf die Straßen. Die 400 Millionen Euro, die Bildungsminister Martin Polaschek ihnen für das Jahr 2023 zugesagt hat, reichen den Rektoraten nicht – sie wollen noch einmal 200 Millionen für 2023. Wie die Unis auf die Summe kommen, kann Polaschek nicht nachvollziehen. Bei den nächsten Leistungsvereinbarungen für die Jahre 2025 bis 2027 will er den Universitäten jedoch ein sattes Budgetplus verschaffen, damit sie versäumte Investitionen nachholen können.

"Vonseiten des Ressortbudgets habe ich keine weitere Möglichkeit, die Unis zusätzlich zu finanzieren", sagt Wissenschaftsminister Martin Polaschek.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Sie haben diese Woche den Unis weitere 150 Millionen Euro für 2023 zugesagt. Das Geld kommt nicht vom Finanzminister, sondern aus den Rücklagen Ihres Ministeriums. Sind diese jetzt ausgeschöpft, oder können Sie erneut zurückgreifen?

Polaschek: Es gibt in verschiedenen Bereichen des Ressorts Rücklagen, diese sind zum größten Teil zweckgebunden. Wir haben im gesamten Budget Möglichkeiten gesucht, wo wir noch etwas für die Universitäten herausholen können, und haben jetzt für das Jahr 2023 eine Überschreitungsermächtigung für zusätzliche 150 Millionen Euro.

STANDARD: Mehr Geld ist also ausgeschlossen?

Polaschek: Vonseiten des Ressortbudgets habe ich keine weitere Möglichkeit, die Unis zusätzlich zu finanzieren. Was ich an finanziellem Spielraum sah, habe ich in Bewegung gebracht. Wir werden weiter überlegen, was wir tun können, um die Unis zu entlasten. Ich denke, es ist eine gute Basis, damit die Unis 2023 gut über die Runden kommen.

STANDARD: Sie haben im Herbst 500 Millionen Euro für zwei Jahre zugesagt, dazu kommen jetzt 150 Millionen für 2023. Die Chefin der Universitätenkonferenz, Sabine Seidler, geht für die zwei Jahre von einem Bedarf von 1,2 Milliarden aus. Wie sollen die Unis pro Jahr 200 Millionen aufbringen?

Polaschek: Diese 1,2 Milliarden wurden bislang von der Universitätenkonferenz in keinster Weise belegt. Es ist eine Zahl, die in den Raum gestellt worden ist, die aber unseren Berechnungen nicht standhält. Wir haben klar belegte Zahlen, dass die Universitäten rund 800 Millionen in den beiden Jahren brauchen. Wir haben daher mit dem Finanzministerium intensive Verhandlungen geführt und 500 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Weil sich gerade bei den technischen Universitäten die Energiekosten deutlich erhöht haben, gibt es nochmals zusätzliche 150 Millionen für das nächste Jahr von uns. Aber die Unis sind auch zum Handeln aufgefordert und sollen auf einen Teil ihrer Rücklagen zurückgreifen. Und ja, die Universitäten müssen sich Einsparungsmaßnahmen überlegen. Wir alle müssen im Energiebereich sparen. Auch die Unis müssen ihren Beitrag leisten.

STANDARD: Die Unis kritisieren, dass ihnen Planungssicherheit auch für das Jahr 2024 fehlt.

Polaschek: Es geht jetzt einmal darum, im Jahr 2023 gut über die Runden zu kommen. Aber 250 Millionen Euro zusätzlich sind für das Jahr 2024 bereits außer Streit gestellt. Der Finanzminister hat darüber hinaus auch schon für die Jahre 2025 und 2026 sicherheitshalber jeweils eine Viertelmilliarde Euro in die Budgetvorschau genommen. Wenn sich die Teuerung 2024 weiter fortsetzt, werden wir die Universitäten selbstverständlich unterstützen.

Bildungsminister Martin Polaschek hätte gerne noch die Gehaltsverhandlungen abgewartet, bevor er Zusagen über zusätzliche Mittel macht.
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STANDARD: Haben die Unis zu früh Alarm geschlagen und protestiert?

Polaschek: Ich hätte gerne noch den Abschluss der Gehaltsverhandlungen im Dezember abgewartet, um auch bei der Entwicklung der Personalkosten eine klare Basis zu haben – noch wissen wir nicht, wie hoch die Gehaltssteigerungen sein werden.

STANDARD: Wie ist der Kontakt zu den Unis, die gegen Sie protestieren?

"Ich halte es auch nicht für gut, die Debatte auf dem Rücken der Studierenden auszutragen."

Polaschek: Wir sind in extrem guten Gesprächen mit den Universitäten, auch im Gespräch mit der Universitätenkonferenz. Es war nicht gut, jetzt zu demonstrieren, weil wir nicht wissen, wie sich die Situation entwickelt. Ich halte es auch nicht für gut, die Debatte auf dem Rücken der Studierenden auszutragen. Man darf sie nicht als Speerspitze in einen Kampf schicken, den man selbst führt.

STANDARD: Ihre ehemalige Universität ist diese Woche auch auf die Straße gegangen. Wären Sie noch Rektor der Uni Graz, hätten Sie also nicht protestiert?

Polaschek: Nein, das war schon vorher nicht mein Stil. Es war mir immer wichtig, dass die Universitäten konstruktiv an die Dinge herangehen. Jetzt haben wir das Bild: Der Forschungsstandort Österreich leidet – und das stimmt nicht. Die Unis haben in den aktuellen Leistungsvereinbarungen fast 13 Milliarden Euro für die Jahre 2022 bis 2024 zur Verfügung. So viel hat der Uni-Sektor noch nie bekommen.

STANDARD: Die TU Wien hat eine einmonatige Schließung angekündigt, die Studierenden werden circa zwei Wochen im Distance-Learning verbringen. Ist das eine gute Idee, um Energie zu sparen?

Polaschek: Ich bin absolut dagegen. Distance-Learning war in Zeiten der Pandemie eine Einschränkung, die aus gesundheitspolitischen Gründen notwendig war. Aber die Universitäten sind Anwesenheitsinstitutionen. Ich halte es auch nicht für fair. Es ist die Verantwortung jedes guten Managers und jeder guten Managerin, dafür zu sorgen, dass gute Arbeitsbedingungen herrschen, das ist hier nicht der Fall.

STANDARD: Die Universität Wien hatbereits einen Aufnahmestopp bei Nachbesetzungen verhängt. Wird es auch zu Personalkürzungen kommen müssen?

Polaschek: Es gibt immer wieder die Situation, dass zwischenzeitig Finanzierung überbrückt wird und einzelne Stellen nicht gleich nachbesetzt werden. Das passiert laufend. Ich gehe nicht davon aus, dass es zu großen Personalkürzungen kommt.

STANDARD: Die Leistungsvereinbarungen sind ein Vertrag zwischen dem Bund und den Unis. Der Bund stellt dasGeld zur Verfügung, die Unis verpflichten sich, gewisse Ziele zu erreichen, etwa ein gewisses Betreuungsverhältnis. Drohen den Unis bei Verfehlen dieser Ziele Nachzahlungen?

"Für die Leistungsvereinbarungen 2025 bis 2027 muss es also deutlich mehr Geld geben."

Polaschek: Natürlich müssen die Unis nichts zurückzahlen. Die Situation liegt nicht in ihrem Verantwortungsbereich. Wenn das zusätzliche Geld aufgrund der Kostensteigerungen nicht wie geplant eingesetzt werden kann, ist klar, dass die Zielwerte nicht eingehalten werden müssen. Und: Wenn wir teuerungsbedingt 2023 und 2024 nicht so viel investieren können, dann müssen wir das entsprechend aufholen. Für die Leistungsvereinbarungen 2025 bis 2027 muss es also deutlich mehr Geld geben.

STANDARD: Wie groß soll das nächste Plus sein?

Polaschek: Wir werden auf jeden Fall für die nächste Leistungsvereinbarungsperiode eine Steigerung von deutlich über zehn Prozent brauchen. Aber sich jetzt auf eine genaue Zahl festzulegen ist zu früh.

Von einer Bildungskrise zu sprechen halte er "für absolut falsch und völlig ungerechtfertigt", sagt Bildungsminister Martin Polaschek.

STANDARD: Am Mittwoch haben Studierende einen Hörsaal an der Uni Wien besetzt, weitere Besetzungen in Salzburg und Innsbruck folgten. Die Besetzenden protestieren für den Klimaschutz, aber sprechen auch von einer Bildungskrise. Ist eine Besetzung der richtige Weg, um auf das Thema aufmerksam zu machen?

Polaschek: Von einer Bildungskrise zu sprechen halte ich für absolut falsch und völlig ungerechtfertigt. Die Studienbedingungen waren abgesehen von der Teuerung noch nie so gut. Wir haben noch nie so viele Forschungsprojekte ausgeschüttet, noch nie so viele Infrastrukturmaßnahmen gesetzt, noch nie so viele neue technische Gerätschaften gehabt. Die Klimadebatte ist eine wichtige, und ich finde es gut, dass die jungen Menschen sich darüber Gedanken machen und auch ihren Unmut äußern. Ob die öffentliche Meinung entsprechend beeinflusst wird, wenn Hörsäle besetzt werden, kann ich nicht einschätzen.

STANDARD: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat vor Kurzem erklärt, die Schulschließungen aufgrund der Corona-Pandemie waren ein "großer Fehler". Schließen Sie sich dieser Einschätzung an?

Polaschek: Ja, auf jeden Fall. Es gab damals von verschiedensten Seiten massiven Druck, dass die Schulen geschlossen werden, weil manche Experten der Meinung waren, dass die Schulen ein Treiber der Pandemie sind. Mein Amtsvorgänger Heinz Faßmann hat sich von Anfang an dafür eingesetzt, dass der Schulbereich zumindest in einem bestimmten Rahmen bald wieder geöffnet wurden. Für mich ganz klar: Schulschließungen dürften nur in einem allerschlimmsten Notfall die allerletzte Maßnahme sein.

"Für mich ganz klar: Schulschließungen dürften nur in einem allerschlimmsten Notfall die allerletzte Maßnahme sein", sagt Bildungsminister Martin Polaschek.
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STANDARD: Wird es weitere Schulschließungen mit Ihnen geben?

Polaschek: Wir wissen nicht, wie sich die Corona-Krise entwickelt, ob es wieder zu einer sehr schlimmen Situation kommt. Aber die Schulen müssen die Allerletzten sein, die schließen. Es ist auch im Variantenmanagementplan der Bundesregierung festgehalten, dass Schulschließungen im dritten Jahr der Pandemie keine Option mehr sind. Ich halte es für wichtig, dass die jungen Menschen in die Schulen gehen könne und ich bin auch für offene Universitäten. (Oona Kroisleitner, 18.11.2022)