Teurer Stoff sollte tunlichst nicht verschüttet und also vergeudet werden. Nur in der offiziellen Fanzone in Doha kann noch Bier mit Alkohol erstanden werden, um 13 Euro der Becher.

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Es gibt in islamischen Landen Schlimmeres als Bier nur in der Fan-Zone oder Champagner in der VIP-Lounge oder Whisky an der Hotelbar, alles sündteuer, bis auf den Stoff für die Superreichen, der ist üblicherweise gratis. Am Persischen Golf, hüben und drüben, sowohl auf der arabischen als auch der iranischen Seite, ist es eher trocken. Die große Ausnahme ist Dubai – wenngleich auch dort die Gesetzeslage, nämlich die Erlaubnis von Alkohol ohne vorherige Lizenzerteilung und somit auch für Muslime erst vor ein paar Jahren der Realität angepasst wurde.

In Katar, dem Lieblingstouristenland Oman und in Abu Dhabi, das wie Dubai Teil der Vereinigten Arabischen Emirate ist, spielt sich, was mit Alkohol zu tun hat, im Wesentlichen hinter Hotelmauern und in Privathaushalten ab. Bei Letzteren gibt es zwei Klassen: die der reichen Leute, In- und Ausländer gleichermaßen, die ohnehin tun, was sie wollen, und die der armen nichtmuslimischen ausländischen Arbeitskräfte, in deren Wohnungen im Verborgenen auch schon einmal kreative, meist auf Obst basierende Gärprozesse in Gang gesetzt werden. Man platziere Nudeln in einer Melone und warte und Ähnliches.

Innerhalb des halböffentlichen Rahmens für Trinken in den Golfstaaten gibt es Varianten: Im Oman und in Katar etwa haben einheimische Frauen zu Hotelbars keinen Zugang, Männer schon. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es Abstufungen von Dubai (offen) über Abu Dhabi (halboffen) bis zu völlig trocken im Emirat Sharjah – dort, wo viele ausländische Arbeitskräfte wohnen.

Diplomatische Labstellen

Die beiden offiziell völlig trockenen arabischen Golfstaaten sind Kuwait und Saudi-Arabien, die Heimat von Mekka und Medina in der Region Hijaz, die allerdings bis zu dessen Zerfall nach dem Ersten Weltkrieg Teil des Osmanischen Reichs war. Der puristische wahhabitische Islam ist also aus dem Landesinneren importiert, und jeder weiß, dass es in Jeddah am Roten Meer viel lustiger zugeht als in Riad. Dort stehen allerdings wiederum die ausländischen Botschaften und Residenzen, die auch saudischen Trinkern aus der Elite – die das Glas immer schön mit der Serviette umwickelt haben, damit man nicht sieht, was drin ist – als Labstelle dienen.

Kronprinz Mohammed bin Salman, Problembär und starker Mann der saudischen Politik, stellt sich für sein utopisches Entwicklungsprojekt Neom offenbar andere Gesellschaftsregeln vor, als sie im Rest des Landes gelten. Werbevideos lassen vermuten, dass da ein Glasl am Strand drin sein könnte. Bestimmt auch im VIP-Bereich an der Skipiste bei den Asian Winter Games 2029. Fußball in der Wüste? Banal! Schifoan in der Wüste!

Saudi-Arabien, von seinem Gründer Abdulaziz Ibn Saud Anfang des 20. Jahrhunderts zusammengestückelt, war übrigens auch einmal halb so streng. Bis 1952 war Alkohol nicht verboten. Ein Jahr vor seinem Tod 1953 schob der König jedoch der sich auch in seiner Familie ausbreitenden Trinkfreudigkeit einen Riegel vor. Auslöser dafür war die Ermordung des britischen Vizekonsuls in Jeddah, Cyril Ousman, durch einen Sohn des Königs, Mishari, im Jahr 1951.

DER STANDARD

Ein Prinz rastet aus

Bei einer Party im Haus des Diplomaten wurde dem bereits betrunkenen Prinzen das Nachschenken verweigert, er verließ die Villa und kam mit einem Gewehr zurück. Der Papa hat’s in dem Fall insofern gerichtet, als Prinz Mishari die Todesstrafe erspart blieb. Aber ins Gefängnis musste er schon.

Auch im Koran ist eine Entwicklung der Regeln für den Alkoholkonsum zu sehen: Es war nicht immer zero. Zuerst lautete die relativ schlichte Aufforderung an die Gläubigen, nicht beschwipst zum Gebet zu kommen. Laut islamischer Tradition steht auch hier vor dem Totalverbot eine bsoffene Gschicht, nämlich die vom Onkel des Propheten Mohammed, Hamza Ibn Abdulmuttalib, der im Suff zwei Kamele tötete, was ihm noch dazu eine – nehmen wir jetzt einmal an – schöne Sängerin befohlen hatte. Also beim Onkel Hamza könnt ihr euch bedanken.

Dass in Weltgegenden, wo man das nicht soll, gerne ein bisschen über den Durst getrunken wird, liegt gewiss auch daran, dass man beherzt zugreift, wenn es endlich etwas gibt. Meist "hard drinks": Das ist die britische Tradition am Golf, und Wein verträgt sich schlechter mit der Affenhitze. Früher war auch die Lagerung von Weinen bei der richtigen Temperatur ein Problem.

Bier geht natürlich immer und überall. Wobei man zum jetzigen katarischen Bier-mit-Alkohol-Verbot sagen könnte, dass ja ohnehin nie geplant war, eines auszuschenken. Das gilt nun eben nicht nur in den Stadien selbst, sondern – ob einem das zu Fantasiepreisen verkaufte Produkt des WM-Sponsors zugesagt hätte oder nicht – eben auch im Umfeld. (Gudrun Harrer, 20.11.2022)