Enner Valencia sorgte für lange Gesichter bei den Gastgebern.

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Eröffnung.

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Jung Kook brachte K-Pop auf die Bühne.

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Die Tribünen im Al Bayt Stadium leerten sich flott.

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Katar hat sich unter dubiosen Umständen eine Fußball-WM unter den Nagel gerissen, 200 Milliarden Euro ausgegeben, sechs Stadien neu gebaut und zwei renoviert, unzählige Hotels aus dem Boden gestampft, dafür tausende Gastarbeiter geopfert und die Verachtung zahlloser Fußballfans in Kauf genommen, um 0:2 gegen Ecuador zu verlieren. Enner Valencias Doppelpack entschied die Auftaktpartie schon vor der Pause.

Schon Stunden vor den Spielern war die katarische Logistik überfordert. Das nur von Wüste, Nichts und Wüste umgebene Al Bayt ist das einzige abgelegene Stadion der WM; da Katar spielte, kamen viele im Privat-Pkw statt per Shuttlebus. Das auch von einem suboptimalen Verkehrsleitkonzept begünstigte Resultat war ein veritabler Stau. Katars Gepflogenheiten trieben kuriose Blüten: Hunderte Menschen warteten eine Viertelstunde darauf, die Straße überqueren zu können – der Konvoi eines Würdenträgers hatte sich angekündigt. Dass die seriösen Herren an den Sicherheitsschleusen deshalb erst arbeitslos und dann überfordert waren, liegt auf der Hand. Zu Beginn der Eröffnungsfeier um 17.30 Uhr Ortszeit waren so noch viele Plätze frei, immerhin stand die Kamelstaffel bei der VVIP-Auffahrt pünktlich Spalier.

Die Eröffnungszeremonie war finanzielle Machtdemonstration und politische Botschaft zugleich. "Wie soll die ganze Welt je zusammenfinden, wenn es nur einen Weg gibt?", fragte Morgan Freeman. "Mit Toleranz und Respekt können wir nebeneinander leben", antwortete der ohne Beine geborene Unternehmer Ghanim Al Muftah. Will heißen: Solange ihr uns Menschen ausbeuten lasst. Ansonsten gab es Zeremonienübliches: Flaggen, Tanz, ein paar Sekunden Fangesang eines jeden Landes, eben das Zeug, das die meisten Fans schon nervt, wenn es nicht primär der Feelgood-Reinwaschung eines Landes dient.

K-Pop zum Auftakt

Dass sich der südkoreanische Weltstar Jung Kook nicht zu schade war, den Event zu schmücken, illustriert die globale Meinungskluft. Europa und die USA protestieren, in Lateinamerika, Afrika und Asien sind Katars Menschenrechtsverletzungen weitaus weniger Thema. Lauteren Applaus als der Popstar bekam nur der Emir selbst, für seine auf Arabisch vorgetragene Botschaft gab es keine Übersetzung. Tamim bin Hamad Al Thani ist auch die erste Zeile der katarischen Hymne gewidmet ("Es lebe der Emir!"), inbrünstiges Singen gehört offenkundig nicht zur katarischen Kernkompetenz.

Anstoß. Katar spielte den wohl schnellsten Steilpass der WM-Geschichte, der Überfall misslang. Keine drei Minuten waren vergangen, da betätigte sich Goalie Saad Al Sheeb bei einem hohen Ball als Fliegenfänger, ein misslungener Fallrückzieher wurde so zur Vorlage für Enner Valencia. Kopfball, Tor, Jubel – aber Halt. Der VAR fand zum großen Jubel der Publikumsmehrheit ein Abseits. Das fischelte im ersten Moment zwar kräftig, doch die Abseitserkennung funktioniert dank zwölf eigener Kameras bei dieser WM halbautomatisiert. Die Intervention war wohl korrekt.

Ecuador ließ sich nicht beeindrucken, dominierte vor offiziell 67.372 Zusehern die Partie. Minute 15: Der vermeintliche Torschütze Valencia wird perfekt in die Tiefe geschickt, ist vor dem Torhüter am Ball und wird gelegt. Da hatte auch der VAR Funkstille. Den Elfer versenkte der Kapitän tiefenentspannt.

Schwache Gastgeber

Katars Kicker waren bemüht, aber ballesterisch unbewaffnet. Es schien, als wär ein halbjähriges Trainingslager ohne Bewerbsspiel doch kein geniales Erfolgsrezept, das Match hatte etwas von einer Cup-Partie eines Dritt- gegen einen Erstligisten. Es passierte, was passieren musste. Valencia bekam bei einer Preciado-Flanke so viel Platz, dass er ihn mit einer Zeltwand "Fanquartier" nennen und um 200 Euro pro Nacht vermieten hätte können. Kopfball, Tor, kein Aber. Nach 31 Minuten war der katarische Kas z’wickt. Vor der Pause vergeigte Ex-Lask-Stürmer Almoez Ali per Kopf die erste Chance seiner Elf, doch auch hier hätte der VAR wohl etwas einzuwenden gehabt.

Die Pause änderte nichts. Estupinan würgte einen Angriff per Fehlpass ab (51.), Al Sheeb parierte einen Ibarrez-Schuss (56.), Katars Miguel Pedro köpfelte vorbei (62.). Ecuador wiegte sich in Sicherheit, das war nachvollziehbar und richtig. Es war ein sensationell blutleerer Kick. 20 Minuten vor Schluss waren im unteren, teureren Rang tausende Plätze leer, die Scheichs hatten keine Lust auf Stau bei der Abreise. Sie verpassten wenig.

Ecuador näherte sich dem Tor noch einige Male an, Katars Mohammed Muntari vollierte sehenswert vorbei. Zum Schlusspfiff waren die etwa 5000 Ecuador-Fans in der Überzahl. Es blieb die Lektion, dass nur maximal 31 Teams ihren Platz bei dieser WM verdienen. (Martin Schauhuber aus Al-Khor, 20.11.2022)

Fußball-WM in Katar, Gruppe A, 1. Runde, Sonntag

Katar – Ecuador 0:2 (0:2)
Al Khor, Al Bayt Stadium, SR Daniele Orsato (ITA)

Tore:
0:1 (16.) Valencia (Elfmeter)
0:2 (31.) Valencia

Katar: Alsheeb – Pedro Miguel, Al-Rawi, Khoukhi, A. Hassan, Ahmed – Al-Haydos (71. Waad), Boudiaf, Hatim – Ali (71. Muntari), Afif

Ecuador: Galindez – An. Preciado, Torres, Hincapie, Estupinan – Plata, Mendez, Caicedo (90. Franco), Ibarra (68. Sarmiento) – Valencia (76. Cifuentes), Estrada (90. Rodriguez)

Gelbe Karten: Alsheeb, Ali, Boudiaf, Afif bzw. Caicedo, Mendez