Es geht um weit mehr als nur eine Petitesse: Die jüngste Vorschau auf die steigenden Kosten des Pensionssystems ist zwar kein Vorbote des Zusammenbruchs, aber allemal beunruhigend. Natürlich lässt sich, wie das Arbeiterkammer und ÖGB tun, immer an der Verlässlichkeit derartiger Prognosen zweifeln. Doch selbst wenn die Entwicklung ein Stück positiver ausfallen sollte, steht der Staat vor einer immensen Herausforderung. Denn nicht nur für die Pensionen braucht es mehr Geld, sondern auch für Altenpflege, Gesundheitsversorgung und Bildung.

Die Regierung und ihre Nachfolger dürfen die Kostenfrage nicht mehr länger wegschieben, wie das in der jüngeren Vergangenheit geschehen ist. Das Ziel, das es zu verfolgen gilt, liegt auf der Hand: Die Österreicher – wegen der Besonderheiten des Systems handelt es sich bei der Problemgruppe tatsächlich vor allem um Männer – sollen später in Pension gehen als bisher üblich.

Die Debatte darf allerdings nicht einseitig zulasten der Versicherten ablaufen. Über Unpopuläres wie eine (längerfristige) Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters soll diskutiert werden – doch genauso muss der Fokus auf den Bedingungen liegen, unter denen die Leute länger im Beruf durchhalten sollen.

Unter den 60- bis 64-Jährigen ist die Arbeitslosigkeit mit Abstand am höchsten.
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Für einen Teil geht es nicht ums Wollen, sondern ums Können. Das Gejammer von Unternehmern über Arbeitskräftemangel hat bis dato nichts daran geändert, dass Ältere am Jobmarkt besonders häufig übrig bleiben. Unter den 60- bis 64-Jährigen ist die Arbeitslosigkeit mit Abstand am höchsten.

Fremdwort Prävention

Diese Menschen brauchen ebenso bessere Unterstützung wie zigtausende andere, die psychische und andere Leiden in die Frühpension treiben. Der letzte großangelegte Versuch eines Rehabilitationsprogramms für angeschlagene Arbeitnehmer ist mehr oder minder kläglich gescheitert. Die Hilfsangebote greifen zu spät, Prävention ist oft immer noch ein Fremdwort.

Ins Scheinwerferlicht müssen aber auch die Arbeitswelten jener, die vordergründig aus freien Stücken in die Frühpension gehen. Viele nehmen empfindliche Abzüge bei ihrer Monatspension in Kauf, um nur ja möglichst bald den Job niederlegen zu können. Dass dies am fehlenden Wissen über die finanziellen Konsequenzen liegt, überzeugt als alleinige Erklärung ebenso wenig wie der beliebte Hinweis auf eine angeblich kollektiv angezüchtete Ruhestandsversessenheit. Umfragen bieten genügend Hinweise auf stetig gewachsenen Arbeitsstress. Wer sich unter Berufstätigen mittleren und höheren Alters umhört, stößt rasch auf Zweifel, ob sich die tägliche Tretmühle ohne weiteres bis ins Alter von 65 Jahren durchstehen lässt.

Weggesperrt bleiben soll jedoch die Abrissbirne. Den Anspruch aufzugeben, dass das öffentliche Pensionssystem den Lebensstandard absichert, um einen Teil der Altersversorgung via Veranlagung am Kapitalmarkt zu bestreiten, gliche einer Kapitulation. Seit Ausbruch der letzten Finanzkrise sind schon genügend Menschen mit Zusatzpension bei diesem Glücksspiel eingefahren.

Kein Tabu sollten hingegen neue Einnahmenquellen sein. In einer Situation, in der Krisen und die Alterung der Gesellschaft dem Staat nicht nur bei den Pensionen, sondern an vielen Fronten finanziell zusetzen, ist ein solcher Schritt angebracht: Wer es sich leisten kann, dem ist ein höherer Beitrag – sprich: Steuern auf Vermögen – zumutbar. (Gerald John, 30.11.2022)