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Vier Tage nach dem WM-Desaster Deutschlands in Katar hat Oliver Bierhoff überraschend das Handtuch geworfen. "Mit sofortiger Wirkung", teilte der 54 Jahre alte Geschäftsführer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am späten Montagabend mit, habe er seinen Vertrag mit dem Verband nach einem Gespräch mit Präsident Bernd Neuendorf aufgelöst. "Ich mache damit den Weg frei für neue Weichenstellungen", schrieb er.

Der umstrittene Bierhoff räumte ein, dass er sich nicht ohne "die nötige Selbstkritik" zurückziehe. "In den vergangenen vier Jahren haben wir es nicht geschafft, an frühere Erfolge anzuknüpfen und den Fans wieder Grund zum Jubeln zu geben", sagte er. "Einige Entscheidungen, von denen wir überzeugt waren, haben sich nicht als die richtigen erwiesen." Das bedauere niemand mehr als er, dafür übernehme er auch die Verantwortung.

Rücktritt

Bierhoff war 18 Jahre für den DFB tätig, sein Vertrag lief noch bis zur Heim-EM 2024. Mit seinem selbstgewählten Rückzug kam er womöglich einer Entlassung zuvor. Wohl am Mittwoch sollte er gemeinsam mit Bundestrainer Hansi Flick zu einer ersten Aufarbeitung des Scheiterns bei der WM mit Neuendorf und DFB-Vize Hans-Joachim Watzke zusammentreffen. Flick wird nun alleine Stellung beziehen müssen zum deutschen Vorrunden-Aus und den Perspektiven zunächst bis zur EM.

Bierhoff betonte, dass sein Wirken stets getrieben war "von der Überzeugung, mein Bestes für den DFB und die Nationalmannschaften zu geben. Umso mehr schmerzt mich das Abschneiden der Männer-Nationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften in Russland und Katar". Es war die dritte Pleite nacheinander der DFB-Auswahl nach dem Aus in der Vorrunde bei der WM 2018 in Russland und dem Scheitern im EM-Achtelfinale gegen England.

Den DFB "nachhaltig geprägt"

"Oliver Bierhoff hat sich in den 18 Jahren seines Wirkens erhebliche Verdienste um den deutschen Fußball erworben", sagte Watzke dem SID, "dafür gebühren ihm Respekt, Anerkennung und Dank." Neuendorf betonte: "Auch wenn die letzten Turniere hinter den sportlichen Zielen zurückblieben", stehe Bierhoff "für große Momente", sein Wirken werde "für immer mit dem WM-Erfolg in Brasilien verbunden bleiben". Er habe zudem den DFB "nachhaltig geprägt".

Bierhoff war 2004 zeitgleich mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann zum DFB gekommen. Zuvor hatte er 37 Tore in 70 Länderspielen geschossen und die DFB-Auswahl im EM-Finale 1996 mit seinen beiden Finaltoren, darunter dem ersten Golden Goal, zum Europameister gekrönt. Zwei Jahre nach seinem letzten Länderspiel begann er als Manager der DFB-Auswahl. Ab 2015 übernahm er die Projektleitung für die DFB-Akademie. 2018 wurde er Direktor Nationalmannschaften und Akademie und 2022 Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie im DFB. (sid, 5.12.2022)