Ex-Kanzler und -Parteichef Sebastian Kurz und sein Nachfolger Karl Nehammer (beide ÖVP).

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Mehr als eine halbe Million Euro – um diese Summe soll die ÖVP im Jahr 2019 die Wahlkampfkostengrenze überschritten haben. Davon geht der Rechnungshof aus. Über eine etwaige Strafe hat nun der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat im Kanzleramt zu entscheiden, der sich bereits am Dienstag erstmals mit der Causa beschäftigte. Bis wann eine Entscheidung vorliegen wird, kann dieser auf Anfrage noch nicht abschätzen. Komplizierte Fälle dauerten zuletzt meist sechs Monate, weniger komplizierte kürzer.

Entscheidet der Senat, dass die Wahlkampfkostengrenze von sieben Millionen Euro tatsächlich um 525.000 Euro überschritten wurde, würde der ÖVP maximal eine Strafe von 78.750 Euro blühen. Es wäre bereits die vierte Geldbuße wegen Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze. Insgesamt musste die ÖVP deshalb bereits 1,2 Millionen Euro Geldbuße zahlen.

Wirklich ins Gewicht fallen würde eine weitere Strafe angesichts der prekären finanziellen Lage der Volkspartei ohnehin wohl kaum. Selbst gibt die Partei keine Auskunft zu ihrem Schuldenstand. Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger stellte allerdings vor drei Jahren, Ende 2019, ungefähre Berechnungen an und bezifferte damals die Verbindlichkeiten auf etwa 19 Millionen Euro.

Sickinger rechnet im STANDARD-Gespräch damit, dass sich die Schulden der ÖVP in den letzten Jahren "um ein paar Millionen Euro reduziert haben". Darauf deutet auch die Auskunft aus dem Büro von Generalsekretär Christian Stocker hin, das auf Anfrage wissen lässt, dass man "vor einigen Jahren einen Konsolidierungspfad eingeleitet" habe und man sich "auf einem guten Weg" befinde. "Mittelfristig werden wir unsere Verbindlichkeiten abgebaut haben."

Finanzlage der Parteien

Doch wie ist es um die Finanzen der anderen Parteien bestellt? Die meisten geben zu ihrem Finanzstatus nur ungern, unvollständig oder gar nicht Auskunft. Ein Rundruf des STANDARD zeigt jedoch, dass keine Partei derart hoch verschuldet sein dürfte wie die ÖVP.

Wirklich rosig sieht auch die finanzielle Lage der SPÖ nicht aus – ein Indiz dafür ist, dass die Sozialdemokraten nun sogar entschieden haben, ihre legendäre Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße zu veranlassen; eine Renovierung würde zu viel Geld verschlingen. Ende 2018 hatte die SPÖ 13,5 Millionen Euro an Schulden, ließ die Partei damals wissen. Und wie sieht es heute aus? Seither sei es gelungen, "den Schuldenstand mehr als zu halbieren", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch zum STANDARD. Er gehe "davon aus, dass wir unser Ziel, 2025 schuldenfrei zu sein, auch erreichen werden".

Mittlerweile schuldenfrei ist die FPÖ – das verlautbarte Bundesfinanzreferent Hubert Fuchs im Rahmen der Präsentation des Finanzberichts beim Bundesparteitag im September. "Durch ein diszipliniertes, sparsames und vorausschauendes Wirtschaften" sei es in den letzten Jahren gelungen, "Altlasten zur Gänze abzubauen und gleichzeitig auch für kommende Wahlkämpfe gerüstet zu sein", sagte Fuchs.

Die Grünen liegen mit 1.175.000 Euro im Plus, lässt Bundesfinanzreferent Wolfgang Raback wissen. Verbindlichkeiten bei Banken oder Landesorganisationen gebe es nicht. Die Wahlkampfunterstützung für Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Höhe von 500.000 Euro habe man "aus dem laufenden Betrieb finanziert", sagt Raback.

Die Neos sind seit dem Vorjahr "komplett schuldenfrei" und befinden sich mittlerweile mit 156.000 Euro im Plus, heißt es. Auch ein nächster Wahlkampf wäre bereits finanziert.

Bald mehr Transparenz

Derzeit sind die Rechenschaftsberichte der Parteien im Hinblick auf Vermögen und Schulden äußerst intransparent. Bisher lassen sich nur Fördermittel, Einnahmen, Ausgaben und Kreditkosten herauslesen. Das wird sich bald ändern.

Vor dem Sommer wurde im Parlament mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ die Verschärfung des Parteiengesetzes beschlossen. Dieses tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft und soll für mehr Transparenz in finanzieller Hinsicht sorgen. Für die Rechenschaftsberichte 2023 heißt das, dass die Parteien dem Rechnungshof unter anderem Vermögen und Schulden melden müssen. Wahlkampfkosten sollen bereits ein halbes Jahr nach dem Urnengang aufgeschlüsselt offengelegt werden. Außerdem erhält der Rechnungshof bei "begründetem Verdacht" auf Verletzung des Parteiengesetzes ein Einschaurecht in die Finanzen – und muss nicht mehr den Umweg gehen, einen externen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen, wie er es bei der ÖVP getan hat.

Apropos ÖVP: Kanzler und Parteichef Karl Nehammer tut sich im Hinblick auf die Parteifinanzen 2019 schwer, etwaige Verfehlungen auf seinen Vorgänger Sebastian Kurz abzuschieben – war er doch damals Generalsekretär und damit für den Rechenschaftsbericht zuständig. Auf Anfrage sieht Nehammer jedenfalls keine Veranlassung, die Angelegenheit zu kommentieren. Eine Sprecherin verweist auf seine bereits in der Vergangenheit getroffenen Aussagen, wonach der damalige Bundesgeschäftsführer Axel Melchior für die Parteifinanzen verantwortlich gewesen sei. (Sandra Schieder, 14.12.2022)